Archive for September 2018

Kulinarische Begegnungen 25 – Yoko Ono

30. September 2018

Wir hatte  uns für Stockholm ein ziemlich straffes Kulinarikprogramm vorgenommen und für jeden Abend Restauranttische vorgebucht. Beim Sternekoch Mathias Dahlgren hatten wir am Tresen seines Bistros „Matbaren“ reserviert in der Hoffnung hier zusehen zu können, wie die Gerichte entstehen. Doch dem war nicht so, die einzelnen Teller kamen aus einer nicht einsehbaren Küche. Machte aber nichts, denn das was kam, sah nicht nur köstlich aus sondern schmeckte auch so. Und während wir so schwelgten und unserer Begeisterung auch wie immer Ausdruck verliehen, erschien Mathias Dahlgren neben uns. Der war sichtbar genervt angesichts der Aufmerksamkeit, die die prominente Gästeschar um Yoko Ono hervorrief, die am Nebentisch mit Gefolge dinierte. Sie hatte am Abend eine Kunstausstellung in Stockholm eröffnet und feierte hier wohl das Gelingen.

Ob wir nicht Lust hätten mit in die Küche zu kommen, er würde uns gerne seine Abläufe erklären…….Keine Ahnung, wie er darauf gekommen ist, dass uns das interessieren könnte, aber klar, da sind wir dabei. Und so nahm er uns mit. Nicht in die Bistroküche, die ja in vollem Betrieb war sondern in die an diesem Tag „leere“ Küche seines nebenan liegenden Gourmetrestaurants. Ausführlich erklärte er, wie das alles hier funktioniert, die einzelnen Posten usw. und dann öffnete er die Türe zu seiner „Kreativabteilung“. Ein Raum voller fein säuberlich beschrifteter transparenter Döschen, es mögen hunderte gewesen sein. Ähnliches hatten wir auch bei Elena Arzak in San Sebastian schon gesehen. Döschen mit „allen“ Kochzutaten dieser Erde, hier mit Schwerpunkt schwedischen Ursprungs. Da gab es Wurzeln und Kräuter, Blüten und Gräser, deren schwedische Namen und natürlich nichts sagten. Aber Mathias Dahlgren erklärte, öffnete die eine oder andere Dose, ließ uns probieren und hatte sichtlich Spaß weil wir nichts davon kannten. Er erzählte wie hier neue Ideen entstehen, wie er sie mit seinen Mitarbeitern zu realisieren versucht und dass das der eigentliche Spaß an seinem Beruf sei.

Die ganze Führung mag etwa eine halbe Stunde gedauert haben und nachdem er uns zurück in das Bistro geführt hatte, kamen erstmal zwei Gläschen Champagner aufs Haus und dann mussten wir erzählen, was uns kulinarisch antrieb. Yoko Ono, immerhin eine weltbekannte Künstlerin, interessierte ihn nicht die Bohne, er zuckte nur mit den Schultern und grinste uns an. Und noch ne Flasche Wein…..es wurde dann ziemlich spät.

Am nächsten Tag haben wir uns dann aber doch die Ausstellung von Yoko Ono angesehen. War sehr eindrucksvoll und hat meine Meinung über die John Lennon Begleiterin dann nachdrücklich korrigiert.

 

Kulinarische Begegnungen 24 – closed kitchen

28. September 2018

Schweden Anfang Juni 2012. Wir waren nach Stockholm geflogen. Aus kulinarischen Gründen (über die noch zu berichten sein wird). Und um das schon damals legendäre Restaurant Fäviken zu besuchen (auch dazu wird noch einiges zu sagen sein). Wir hatten uns einen Wagen geliehen und als Zwischenstop das kleines Dala-Husby-Hotel reserviert, das auch abends warme Küche anbietet.

Nun ist die Fahrt von Stockholm nach Järpen im Jämtland das reinste Idyll. Wälder, Wälder, Wälder. Vorbei an zahllosen Seen, durch Bullerbü-Dörfer, noch mehr Wälder. Und irgendwann erreichten wir am späten Nachmittag das kleine Hotel. Bullerbü pur. Rot gestrichene Holzfassade, großer grüner Garten, alles sehr gepflegt. Wir setzen uns erstmal raus, kleines Erfrischungsgetränk. Und als wir die Hotelinhaberin nach möglichen abendlichen Genüssen fragen kommt die Antwort: „Oh, I’m so sorry, but the kitchen ist closed today.“ Der Koch habe heute seinen freien Tag, es wäre nichts vorbereitet aber sie würde mal sehen, ob sie selber etwas herrichten könne.

Wir sind einerseits enttäuscht, andererseits froh, denn weit und breit war uns auf der Fahrt hierher nichts aufgefallen, wo wir auch nur einen Hauch Essbares hätten besorgen könne, hier in the middle of nowhere. Und irgendwann abends ruft sie uns dann zum Diner.

Die Weinkarte ist überraschend umfangreich, der von uns bestellte Weißwein kommt perfekt temperiert und dann serviert sie uns erstmal einen Hummer. Wow. Damit hatten wir nun gar nicht gerechnet. Dafür, dass die Küche heute geschlossen ist, ist das schon mal ein feiner Start. Das halbierte Tier, mit brauner „Butter“ serviert, schmeckt aussergewöhnlich gut, irgendwie mit einer uns nicht bekannten Geschmacksnote. Wir bleiben gespannt, auch als der nächste Gang, ein geschmorter Rentierbraten mit zartem Gemüse serviert wird. Butterzartes Fleisch, eine wunderbare Soße, alles gut, wie lehnen uns zufrieden zurück…….Natürlich freut sich die Inhaberin als wir ihr unsere Begeisterung über das Menu zeigen, na ja, sie hätte mal rasch was zusammengekocht, nichts Besonderes.

Der nächste Morgen. Wir sind immer noch die einzigen Hotelgäste und können kaum glauben, dass für uns ein Frühstücksbuffet aufgebaut wurde. Mindestens zehn Sorten Konfitüre, Dutzende Käsesorten, Schinken unterschiedlicher Ausprägung vom Rind, vom Schwein und vom Rentier, fünf Brotsorten, diverse geräucherte Fische, es war unglaublich. Und als wir die Butter aufs Brot streichen und dezent probieren, erleben wir wieder jenen unbekannten Geschmack, der bereits am Vorabend für irritierende Begeisterung gesorgt hatte. Als wir die Inhaberin fragen, welche Butter das sei, antwortet sie mit einem nicht verständlichen schwedischen Begriff. Über unseren Köpfen ein großes Fragezeichen, bis sie uns einen kleinen Zettel schreibt: „A tree called Björk“. Und sie erklärt, dass die Butter mit Birkenöl gemischt wird, für den besonderen Geschmack. Das sei eine Spezialität der Gegend. Alleine das frische Brot mit dieser Butter hätte ausgereicht um dem Frühstück die Bestnote zu geben. Es war ein Fest.

Später in Deutschland habe ich dann Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt um ein kleines Fläschchen dieses schwedischen Birkenöls zu importieren aber die eigenen Mischversuche mit Butter waren lange nicht so genussvoll wie bei diesem Frühstück. „The kitchen is cloed today“ – auch heute noch Standardspruch, wenn nicht gekocht wird.

Kulinarische Begegnungen 23 – Marieneck

26. September 2018

In meiner Kindheit gehörte Ehrenfeld zu jenen Kölner Vororten, die ebenso wie Nippes, Kalk oder Mauenheim von unserer Jugend-Fußballmannschaft nur ungern besucht wurden. Hier gab es immer schwere Niederlagen, die stets mit irgendwelchen Verletzungen einher gingen. Ehrenfeld war für uns damals ein ziemlich fieser Vorort. Hier war es ruppig und rau, die hier lebende Jugend war immer ein bisschen härter als wir. Und sowas prägt sich tief in das Gedächtnis ein.

Auch heute noch gibt es Ecken in Ehrenfeld, die ich zu meiden suche. Insbesondere der „hintere“ Teil der Venloer Strasse zwischen Gürtel und Äusserer Kanalstrasse kann mit so mancher obskurer Lokalität aufweisen, hier gibt es nicht nur italienische Zockerbuden und türkische Teestuben, nicht nur schmierige Dönerläden und allerschrägste Möbelgeschäfte – hier befindet sich in einer engen Seitenstrasse auch das legendäre „Marieneck“. Ein ziemlich gefährlicher Laden. Früher eine typische Eck-Kneipe, heute das, was man sprachmodern „Event-Location“ nennt.

Die hohen Fenster sind tagsüber meist mit schweren Rollos verschlossen und erst ab späten Nachmittag wird ersichtlich, dass hier etwas Gastronomisches stattfindet. Moderne Küchenausstattung, Tische, Stühle, Kochtechnik. Chef im Ring ist ein Typ namens Marco. Klingt italienisch, ist es aber nicht. Marco ist Gastgeber. Nicht nur für die Kochschule, nicht nur für Wein- und Bierproben und auch nicht nur für verschiedene Kochevents. Marco ist Ermöglicher.

Nicht nur für den inzwischen weit über Köln hinaus bekanntgewordenen „Schwarzmarkt“, der nicht-kommerziellen Tauschbörse für selbstgemachte Lebensmittel, die sich zum zehnten Mal jährt. Hier finden Supper-Clubs statt, meist schnell ausverkauft, hier dürfen Koch-Lehrlinge vor Publikum im Rahmen der „Sunday-Supper“ ihr Können demonstrieren und hier können aus ganz Deutschland anreisende Kochverrückte die Töpfe schwingen. Marco ist stets dabei. Meist im Hintergrund, umsichtig, beratend, selten zur Hand gehend. Besonders sein Talent für die Personalauswahl wird immer wieder besonders gelobt, seine Servicefrauen handverlesen, pfiffig, hilfsbereit. Marcos Metier ist mehr so der Getränkekühlschrank, insbesondere die Weinabteilung. Denn Marco ist auch Sommelier. Großzügig bis zur Verschwendung, experiemtierfreudig bis knapp vor dem Wahnsinn. Das „Marieneck“ in Ehrenfeld ist ein gefährlicher Ort.

Eine Kneipe ist nur so gut, wie der Wirt, der hinterm Tresen steht und eine Eventlocation nur so erfolgreich, wie die, die sie managen. Manchmal, so erzählt Marco hin und wieder, ist er wirklich im Stress, meist zu in der Adventszeit wenn hier Weihnachtsfeiern stattfinden oder Firmen Kochorgien buchen. Dann muss er Einkäufe erledigen, Tische umräumen, Personal organisieren und Getränkevorräte auffüllen. Dann sieht man ihn tatsächlich auch mal mit einem Schweißtröpfchen auf der hohen Stirn…..Aber er hat moralische Unterstützung von einem im Laufe der Jahre immer größer werdenden Fanclub. Ohne diese Fans wäre das alles nicht so aussergewöhnlich. Da gibt es den aus dem Gesindehaus, und den, der sich nicht nur mir Bieren exzellent auskennt, da gibt es den Kultur-Anthropologen, der nicht nur Foodcamps organisiert und sich auch sonst immer wieder als kreativer Macher zeigt und da gibt es jede Menger BloggerInnen, die im Marieneck die Fotoapparate glühen lassen. Und immer ist Marco mittendrin, er ermöglicht.

Das Marieneck in Ehrenfeld ist ein ziemlich gefährlicher Laden. Meist wird es spät, meist wird es alkoholreich, immer ist es lustig und manchmal übermütig.

Restaurant Hermanos Torres – Barcelona

23. September 2018

Die Zwillingsbrüder Torres genießen seit Jahren in Barcelona Kultstatus -nicht nur wegen eigener TV-Sendungen- und haben vor einiger Zeit ihr neues Domnizil eröffnet. In einer offenen Halle befinden sich in der Mitte drei große Kochstationen, es gibt jeweils eine verglaste warme und eine kalte Vorbereitungsküche und alle Gästetische sind quasi Küchentische, jeder hat Blick auf das Geschehen.

Hier wird groß aufgekocht, ein herausragender Service macht das Ganze zum Erlebnis und die Chefs kommen hin und wieder für kleine Schwätzchen an die Tische. Wir hatten das Menu „Inicio“ und waren der Meinung, dass es eines der besten jemals in Barcelona gesehen Menus war. Da muss ich nochmal hin.

Restaurant Barra Alta – Barcelona

22. September 2018

Eines meiner neuen Lieblingslokale in Barcelona mit feiner Karte und angenehmen Ambiente.

Austern

Hummer mit Totentrompeten und Kartoffelcreme

Hummerbrötchen 🙂

Panierte Zicklein-Koteletts

Foie in Escabeche

Vermut-Eis mit Wassermelone und Hibiscus

Restaurant Dos Pebrots – Barcelona

21. September 2018

Albert Aurich ist einer der ersten El-Bulli-Köche, die sich vor Jahren mit eigenem Restaurant in Barcelona selbststänig machten. Während in seinem Restaurant „Dos Palillos“ mit asiatischen Anklängen gekocht wird, verfolgt das Restaurant „Dos Pebrots“ etwas ganz anderes. Antike Rezepturen kommen auf die Teller. Vor allem wird hier „Garum“ als Würze eingesetzt, das jahrtausendalte Fermentationsprodukt der Römer. Hier in eigener (geheimer) Rezeptur, das optimiert für die Großproduktion demnächst auch in den Handel kommen soll.

Wir hatten folgendes ausgewählt und waren ziemlich begeistert:

Gemüse napolitanische Art – Aubergine, Kürbis, Fenchel konserviert in Essig und Öl

„Verbrannte“ Zwiebel vom Grill mit Garum. Unglaublicher Geschmack.

Tortilla mit Garum, Pinienhonig, Petersilie-Minz-Öl (tolle Kombination) – am Tisch in brüllend heißer Gusseisenpfanne zubereitet

Rotbarbe mit Essig und Knochenmark

Wachtel vom Grill mit Knoblauch-Koriander-Essig-Sauce

Geräuchertes Milcheis mit Erdbeeren-Essenz

 

 

 

Restaurant Boqueria Direkte – Barcelona

20. September 2018

Hätte die Chefin de Cuisine nicht vor einigen Wochen über dieses Restaurant berichtet, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, in den Arkaden der touristischen Boqueria ein solches Kleinod zu vermuten.

In einer Miniküche zaubern zwei Köche für maximal acht Personen ein wunderbares Menu:

Apfel-Limette-Minz-Süppchen eiskalt

Sardine in Apfelsaft mariniert

Pulpo in Sake eingelegt, Gurke, Wasabi

Auster in Panchetta mit scharfer Soße

Mar e Montana, Schweinekopf und -Fuß, Gamba mit Yogurt-Dip

„Escabeche“ von roten Thun, konfierte Tomate, Olive, Pinien

geeiste gehobelte Foie mit Pinien, Nüssen, dazu einen feinen Naturwein edelsüß

Coca mit geräucherter Makrele, Trauben, Panchetta

Bacalau in Niedrigtemperatur mit Kichererbsen

Kalbsbäckchen in Hoi-Sin-Soße, Erdnuss-Soße

Presa vom Iberico mit Pflaubem, Wasabi, Nori

Marinierte Erdbeeren in Shizu-Essig mit Sake

Cheesecake mit Matcha (best ever)

Restaurant Mediamanga – Barcelona

20. September 2018

Jordi hatte noch einen Besuch vom letzten Mal gut……

„Taco“ mit Parmesan und geeister Foie

Auster, Apfel, Basilikum

Ajo blanco mit geräuchertem Aal, Avocado, Kirsch-Eis

Rührei mit Pfifferlingen, Chiperones, Pancheta, Tintensoße

Rotbarbe, Humus, Gemüse

Möhrenkuchen, Gewürzeis, gefrorener Frischkäse

Kulinarische Begegnungen 22 – Elexir de Cuba

12. September 2018

Das Näschen der Chefin de Cuisine für aussergewöhnliche Kaschemmen hatte auch diesmal wieder die richtige Witterung. Wir waren nachts im Ortsteil Gracia in Barcelona unterwegs, nach einem feinen japanischen Menu. Wie so oft hatten die staubigen Strassen gewaltigen „Nachtdurst“ erzeugt, ein alkoholisches Erfrischungsgetränk sollte unsere trockenen Lippen benetzen. Auf der Carrer Siracusa entdeckt sie also die Bar Raim.

Kubanische Musik schon von draussen zu hören, der Laden gut gefüllt und auf den ersten Augenschein seit Jahrzehnten nicht mehr renoviert. Wunderbar. Ein authentischer Schuppen, selten geworden auch in Barcelona. Und während wir auf das erste Bier warten haben wir Muße die zahlreichen Fotos, Poster und Devotionalien kubanischen Ursprungs auf den vergilbten Wänden zu betrachten. Che Guevara in mehrfacher Ausführung, Boxerbilder, Heiligenbildchen, eine ziemlich wilde Mischung. Alte Wein- und Rumfässer liegen überall und auf den Marmortischen stehen Aschenbecher.

Die ersten Bierchen waren rasch geleert und angesichts der Batterie seltener Rumflaschen hinterm Tresen überkam mich die Lust nach diesem Zeug. Und weil ich damals noch nicht der große Rumtrinker war, bat ich den Barmann, mir einen Anfänger-Rum zu bringen. Solche alkoholischen Getränke werden in Spanien ja nicht in so homäopatischen Dosen wie hierzulande serviert, sondern es gibt reichlich. So auch hier. Es kommt ein großes Wasserglas voll Rum, ein kleines Eiswüfelchen zur Alibikühlung. Es duftet nach Rosinen, es schmeckt engelsgleich, süß und saftig, fast likörartig. Der Barmann bringt die Flasche. „Legendario“ steht auf dem Etikett. Wie passend. Und darunter „Elexir de Cuba“ – genauso passend. Und schon hatte er mich an der Angel. Lächelnd ließ er die Flasche auf dem Tisch stehen. Man kennt den Blick aus alten Western, wo ähnliches stets mit Whisky-Flaschen passierte.

Und weil die Musik immer besser wurde und die Stimmung aller Gäste weiter stieg und weil es sowieso ein laue Nacht war und das Elexir seinem Namen alle Ehre machte……. Wenn die Chefin de Cuisine danach nicht bloß immer zu Fuß gehen wollte.

Kulinarische Begegnungen 21 – Patrizio

11. September 2018

Zu unseren beliebtesten Ausflügen aus der Stadt Barcelona gehörte jahrelang ein Tagesausflug nach Casteldelfels. Das geht bequem mit dem Bus. Ziel war nicht nur der breite und kilometerlange Sandstrand sondern die Strandbude von Patricio, die von der Strassenseite ziemlich runtergekommen und wenig einladend aussah, von der Strandseite jedoch verlockende Aussicht auf das Meer bot. Perfekte Lage.

Das war ein Chiringuito der Bilderbuch-Art. Wahrscheinlich ohne Genehmigung gebaut, grob gemauert, Wellblechdach, eine zum Strand hin offene Terrasse, drinnen eine große Küche mit Holzkohlegrill. Seit Jahrzehnten hatte sich die Küche legendären Ruf erkocht, nicht zuletzt wegen der Portionen, die hier serviert wurden. Der Parkplatz immer voller Nobelkarossen und einschlägigen Sportwagen schwäbischer Produktion.Vor allem Sonntags. Kurzum, die Baracke war Kult. Und die zahlreichen Besuche dort in allerbester Erinnerung.

Meist hatten wir telefonisch einen Tisch reserviert, draussen. Im Schatten. Weiße Tischdecken, Stoffservietten, Eiskühler, Ingredenzien, die man hier nicht erwartete. Erstmal ein Fläschchen kühlen Weisswein, dann ein Blick in die Karte (das war eigentlich nicht nötig, wir wussten vorher, was wir bestellen wollten). Waren wir im Frühjahr dort, dann bestellten wir Calcots, eine Art Frühlingslauch, das bis zur Verkohlung in heißer Asche gegrillt wird. Serviert wurde das hier auf einer tönernen Dachpfanne, gegessen wird mit den Fingern, jeder bekommt vor Verzehr ein Papierlätzchen umgebunden, das Ganze ein großer und köstlicher Spaß. Die fingerdicken Calcots, etwa zwanzig Stangen pro Person sind rasch verputzt, Zeit für ein zweites Fläschchen Vino blanco. Waren wir ausserhalb der Calcots-Saison dort und das war oft der Fall wenn Freunde zu besuch kamen, dann kamen selbstverständlich Meeresfrüchte auf den Tisch. So, wie sie sein mussten, frisch, schmackhaft, wunderbar.

Conejo  al horno – Kaninchen vom Holzkohlegrill. Die Spezialität der Baracke. Und die wird in Spanien nicht wie bei uns in einzelnen Teilen serviert, sondern auf den Teller kommt das längs aufgeschnittene halbe Tier inklusive Kopf, angeblich deshalb, um zu dokumentieren, dass es keine Katze ist. So die Legende. Auf jeden Fall waren diese Kaninchen in ihrer einfachen Zubereitung köstlich, die Patatas bravas und das gegrillte Gemüse hätte es nicht bedurft. Butterzartes krosses Fleisch, vermischt mit den Sandkörnern des Strandes und der salzige Brise des Meeres.

Orujo, der harte Tresterbrand……, Cafe solo, vielleicht noch nen Brandy…….Es waren wunderbare Aufenthalte hier.

Vor einigen Jahren wurde der Laden abgerissen. Heute befindet sich an der Stelle eine schick asphaltierte Promenade entlang des Strandes, ziemlich langweilig mit einigen aufgemotzten Buden, die Fritten und Cola anbieten. Lebendige Kultur sieht anders aus.

Kulinarische Begegnungen 20 – Der Köhler

10. September 2018

……..Richtung Süden auf der A7 um noch einen Sack Holzkohle mitzunehmen. Bei der ältesten Köhlerei Süddeutschlands. Doch Vorsicht. Kaum steige ich aus dem Auto, der Köhler hat natürlich am Kennzeichen gecheckt, dass ich aus dem Rheinland komme, gehen die Sprüche los. Ich biege mich vor lachen und habe selber noch kein einziges Wort gesprochen – und das hört erst mal nicht auf. Der Typ gehört nicht in den Wald. Der muss auf eine Bühne.

Zunächst Tiraden über die Rheinländer, danach über die Politik und dann ist Angela dran. Der Typ läuft zu Hochform auf. Und ich höre zu, gebe das eine oder andere anfeuernde Stichwort und er hat sichtlich Spaß. Der Mann aus dem Wald ist wahrlich nicht auf den Kopf gefallen, Cleverle wie die Schwaben so einen bezeichnen. Richtig gut.

Aber irgendwann möchte ich dann doch mal erklärt haben, wie so ein Meiler aufgebaut wird, wie das funktioniert. Und wer von ihm hört, worin der Unterschied zwischen handgemachter und industriell gefertigter Holzkohle besteht, der kauft nie wieder an der Tankstelle. Dazwischen liegen Welten.

Hier die Internetseite der Köhlerei: http://www.köhlerei-wengert.de/

Kulinarische Begegnungen 19 – Bengelmann

9. September 2018

Bleiben wir noch einen Moment im Schwäbischen, in Ellwangen. Von den zahlreichen Metzgereien der Stadt ist mir die der Familie Bengelmann die liebste. Das hat zum einen anekdotische Gründe, über die hier der Diskretionsmantel des Schweigens gelegt wird, zum anderen vor allem an der Qualität der Produkte.

Es begann alles vor Jahren anläßlich eines Stadtfestes. Die Metzgerei Bengelmann hatte einen großen Smoker aufgebaut, hier wurden feinste Dinge gegrillt und geräuchert, die Luzy ging ab. Und während ich mir das gusseiserne Monstrum von der Juniorchefin in seiner Funktionsweise erklären ließ, berichtete sie stolz von diversen nationalen und internationalen Grillwettbewerben, an denen sie schon teilgenommen habe. Seither scheint sie mich ins Herz geschlossen zu haben oder stolz zu sein, einen rheinländischen Stammkunden zu haben. Jedenfalls werde ich seither immer von ihr bedient und das geht natürlich bei ihr nicht ohne die eine oder andere Scheibe probieren zu müssen. Geht sonst nur bei Kindern. Und entsprechend die Reaktionen der anderen Kunden.

Betrete ich heute den Laden, am liebsten Samstags, wenn die Metzgerei anlässlich des Markttages richtig voll ist, und ich mich in die Warteschlange einsortiere. Ich ahne was kommt und bin mit ein paar Sprüchen vorbereitet. Die eine oder andere Wurstsorte lasse ich mir einschweißen, die eine oder andere Dose Schwartenmagen kommt dazu und selbstverständlich ein Bollen Rauchfleisch. Dann gegenüber noch in die Bäckerei für ein paar Briegel und ein paar Selen und dann geht es mit einem gar fröhlichen Liedchen auf den Lippen auf die Autobahn……

Kulinarische Begegnungen 18 – Franz Denzer

8. September 2018

Im Gegensatz zum Rheinländer, der bekanntlich ja ein wenig zur Übertreibung neigt, ist der Schwabe mehr der bescheidene Tiefstapler. Als wir den Tip bekamen, uns doch mal in Zöbingen (Ostalbkreis) den dortigen Lebensmittel-Laden anzuschauen, ahnten wir nicht, was kommen sollte. Die Rede war von einem Tante-Emma-Laden, der eine „ordentliche“ Weinauswahl haben soll.

Weit, weit untertrieben. Dieser Laden ist ein seltenes Unikat, scheinbar aus vergangenen Zeiten. Das ist ein „Supermarkt“ wie vor 30 Jahren. Eine Ordnung der Waren ist zunächst nicht festzustellen, die Auswahl scheint vollkommen, das Angebot bis unter die Decke. Alles drängt sich auf engstem Raum. Eine unkonventionelle Regalbefüllung. Alle ein bisschen chaotisch. Und dann entdecken wir die Weinregale und sind aus dem Stand überrascht über das was hier angeboten wird. Internationale und nationale Spitzenweine ebenso wie einfache Trollinger und Lemberger. Wir schlendern so durch die Regale und bemerken im hinteren Teil des Ladens noch eine Art „Schatzkammer“, wo ältere Jahrgänge stehen.

Der bis dahin an der Kasse stehende Inhaber des Supermarktes hat längst bemerkt, dass wir keine Einheimischen sind und fragt, ob wir was spezielles suchen würden. Ne, nur mal so gucken was hier so angeboten wird. Mit schelmischen Lächeln schließt er den Laden ab und führt uns durch den Hinterausgang zu der danebenliegenden Scheune. Als er die beiden mächtigen Tore der Scheune öffnet bleibt uns der Mund offen stehen angesichts, dessen, was hier gelagert wird. Tausende Weinflaschen, hunderte Kisten – alles kreuz und quer. Auch hier eine Ordnung, die sich nur dem Inhaber erschließt.

Es ist ein überwaltigendes Angebot, die Weinliste fast ein Buch. Und Franz Denzer kommt ins erzählen, kann natürlich zu jedem Wein was sagen, reist hier ne Kiste auf und empfiehlt die eine oder andere Probierflasche. Sein schwäbischer Dialekt ist für den Rheinländer fast schon Comedy, es macht einfach Spaß. Man merkt seine Begeisterung, er ist kaum zu bremsen und erst als wir fragen, wer denn jetzt im Supermarkt steht……..Natürlich haben wir einige Kisten mitgenommen, natürlich sind wir seither oft nach Zöbingen gefahren und selbstverständlich haben wir die inzwischen von ihm in Ellwagen eröffnete Weinbar besucht.

Das Angebot wächst weiter wie er immer betont und immer mehr Schwaben würden sich auch hin und wieder mal was Teueres gönnen.

Das Bild gibt leider nur einen unzureichenden Eindruck der Scheune wieder und stammt aus dem ersten Besuch.

 

Kulinarische Begegnungen 17 – Tschuk

7. September 2018

Tschuk ist ein Studienkollege der Chefin de Cuisine aus alten Tagen. Er lebte schon einige Jahre als selbstständiger Industriedesigner in Barcelona, sprach fließend spanisch und katalanisch und war Feinschmecker und Hobbykoch. Und er kannte schon damals die Läden und Restaurants, nach denen wir gierten. Klar, dass wir ihn bei jedem Barcelonabesuch trafen. Klar, dass wir seinen Einkaufstips folgten, bis auf eine Ausnahme.

In der Nähe seines Büros hatte er ein Restaurant ausfindig gemacht, dass die ultimative katalanische Spezialität offerierte: Schweinefuß mit Schnecken. Nur die Chefin de Cuisine war Feuer und Flamme als wir gemeinsam in der Mittagszeit dann den Laden besuchten. Die beiden bestellten sofort diese seltsame Kombination, die, als sie serviert wurde, sämtliche meiner Vorurteile bestätigte. In einer dunkelbraunen Tunke voller Galertgeschlabber kochten jede Menge kleiner Schnecken, selbstverständlich mit Gehäuse. Es roch zum davonlaufen. Nicht für die beiden. Geradezu verzückt stürzten sie sich auf die Teller, stocherten das Schneckenfleisch aus ihren Gehäusen, kauten auf Schweineknorpeln. Euphorisiert geradezu.

Ich wollte mir nicht nachsagen lassen, nicht probiert zu haben. Ganz großer Fehler. Eine Gabelspitze genügte, für immer. Das war und ist eines der ganz wenigen Gerichte, die bei mir leichtes Ekelgefühl auslöst. Bis heute. Ist aber reine Kopfsache.

Kulinarische Begegnungen 16 – Botifareria

6. September 2018

In unmittelbarer Nähe der Kirche Santa Maria del Mar, gegenüber des Seiteneingangs, befindet sich eine Metzgerei. Eine Institution. Nicht nur, weil die Produktion durch eine den Laden abtrennende große Glasscheibe zu beobachten ist, nicht nur, weil das Personal in einheitlichen Uniformen pikobello aussieht, nicht nur angesichts der zahlreichen Schinken die in unterschiedlichen Qualitätsstufen an Haken hängen. Diese Metzgerei, deren namensgebende Bottifara (katalanische Bratwurst) hier in unzähligen kreativen Varianten hergestellt werden, ist Pilgerstätte vieler Katalanen.

Je nach Saison oder Jahreszeit gibt es hier Bratwürste mit Schokolade, mit Curry oder mit Kümmel, mit Whiskey oder mit Coca-Cola. Es gibt Bratwürste mit Calcots oder mit Spargel, es gibt welche in scharf oder in ganz scharf. Es gibt Bratwürste mit Minze oder mit Roquefort, welche mit Artischocken oder mit Pilzen. Es liegen mindestens immer 10-12 verschiedene Bratwurstsorten in der Theke. Es ist die sprichwörtliche Qual der Auswahl. Das geht nicht nur mir so, auch die meisten Einheimischen können sich nur schwer entscheiden, deshalb dauert das auch immer…….

Und es vergeht kein Barcelonabesuch ohne hier das eine oder andere Würstchen vakumisieren zu lassen für den Rücktransport im Koffer. Und wer sich so gar nicht für diese Art Bratwürste begeistern kann: Der gekochte und geräucherte Schinken aus dieser Metzgerei hat es noch selten bis nach Hause geschafft.

Kulinarische Begegnungen 15 – Segundo Acto

5. September 2018

Ein weiteres Bar-Ereignis aus Barcelona ist erwähnenswert.

Die Carrer d’en Roca ist eine kleine dunkle Gasse parallel zur Rambla. Es riecht nach Urin, nach Drogen, hier erbrechen sich besoffene britische Touristen. Je weiter man in diese Gasse geht, desto unbeleuchteter wird sie. Und dann sah man bis vor einige Jahre ein beleuchtetes bleiverglastes Fenster. Die Bar „Seguno Acto“. Die abgerockteste Bude, die ich jemals betreten habe, minimalst beleuchtet, eigentlich war es stockfinster, es dauerte Minuten bis das Auge sich nachts an diese Dunkelheit gewöhnt hatte. Hinterm Tresen stand Emilio, stadtbekannter Wirt schweizerischen Ursprungs, der jedoch seit Jahrzehnten in Barcelona lebt. Emilio hatte das Talent, das Publikum dieser Kaschemme über Jahre interessant zu halten. Hier trafen sich Künstler, Maler, Schriftsteller, Winzer und schräge Gestalten. Hier wurde gekifft, was die selbstgedrehten Stengel hergaben, hier wurde Schach gespielt und viel getrunken. Gegen Mitternacht war der Laden immer voll, es herrschte eine ausgelassene Stimmung, auch unter den zahlreichen deutschsprachigen Ausgewanderten, die sich hier regelmäßig auf ein Bierchen trafen.

Emilio hatte Sinn für Kunst. Der gesamte hintere Bereich der Bar war voller Kunstwerke an den Wänden und die große Wand im Eingangsbereich ließ er alle paar Monate von einem anderen Künstler neu gestalten. Direkt auf die Wand gemalt entstanden teils wunderbare Kunstwerke, die selbstverständlich von den Stammgästen kenntnisreich kommentiert wurden. Hier wurden Kunstwerke verkauft, hierher kamen Künstler mit ihren Mappen um zu verkaufen.

Ich war immer hin und her gerissen hier. Einerseits eine üble Kaschemme, andererseits interessantes Publikum mit interessanten Gesprächsthemen. Und als eines Tages wieder einmal die große Wand künstlerisch aufgefrischt wurde und ich mit Emilio das gemalte Motiv zu deuten versuchte, ritt mich der Leichtsinn. Mehr aus Spaß bot ich ihm an, das nächste Motiv auf die Wand zu malen…Und er war einverstanden. Gage gab es auch. Richtig fairer Preis. Also gut, zwei Monate später bin ich wieder nach Barcelona geflogen, habe dort Farben, Pinsel und erforderliches Equipment gekauft und Emilio gab mir für zwei Tage den Schlüssel für die Bar.

Lang der Rede….ich bemalte die Wand mit einem informellen Motiv (eine Kombination im Stil meiner beiden Kunsthelden Emil Schumacher und Antoni Tapies) und war einigermaßen zufrieden mit dem Ergebnis nach zwei Tagen harter Arbeit an der Wand. Freitag Abend dann die Vernissage im Beisein des Künstlers. Emilio hatte Musiker und Tänzer eingeladen (darüber wird noch separat zu schreiben sein), die Kaschemme voller Gäste. Und als ich die Bar betrete traue ich meinen Augen nicht. Das Bild fast verschwunden, die Farbe fast weg, eingesogen in die Wand, eingesogen in hundert Farbschichten darunter. Ich bin in den Erdboden versunken…..

Aber die tröstenden Erdnüsschen waren die leckersten ever.

Die Bar Segundo Acto gibt es nicht mehr, sie hat aber nochmals internationale Berühmtheit erlangt durch einen Dokumentarfilm, der auf einigen spanischen und französischen Filmfestivals wohl hochgelobt wurde und in der die Bar als „The temple of the bohemians in Barcelona“ bezeichnet wird.

Bei Youtube gibts ein kleines Amateur-Video aus dem Inneren der Bar.

Kulinarische Begegnungen 14 – Andurrana

4. September 2018

Das Barrio Raval, früher auch als Barrio Chino bekannt, war von fünfzehn Jahren eines jener Stadtviertel Barcelonas, vor dessen Besuch einschlägige Reiseführer abrieten. Für Nicht-Einheimische sei es gefährlich sich hier nach Einbruch der Dunkelheit aufzuhalten, Drogen, Prostitution, Taschendiebe, Raubüberfälle etc. Dort war unsere Wohnung als Start- und Landeplatz zahlreicher kulinarischer Expeditionen durch die Stadt. Mittendrin. In der Carrer Riereta.

Damals hatte das Viertel und die Strasse einen ganz besonderen Charme, es gab eine Schreinerei, es gab Schlosser, hier waren Künstlerateliers, es gab ein Theater, kleine Restaurants, um die Ecke kleine Gemüseläden, Bäckereien und einen gut sortierten Colmado. All das ist inzwischen verschwunden. Und es gab am Ende der Strasse die Andurrana-Bar. Die war architektonisch insofern interessant, weil sie sich durch den gesamten Block zog, will heißen, man ging auf einer Strasse in die Bar hinein und auf einer anderen Strasse heraus.

Damals war das meine Frühstücksbar für den ersten cafe solo und das erste Krossant, ich war jeden Tag dort und weil der aus Asturien stammende Wirt ein wenig seine Englisch-Kenntnisse dokumentieren wollte, war er immer froh ein morgendliches Schwätzchen „serioso“ zu führen. Denn in dieser Kneipe trank man sonst üblicherweise morgens bereits Bier und Brandy und frühstückte ein Döschen Sardinen. Entsprechend das Publikum. Jogging-Hosen oder Morgenmäntel gehörten in dieser Bar zum täglichen Anblick. Mit anderen Worten: Veedelskneipe aus dem Bilderbuch. Und genauso dekoriert. Kitsch as Kitsch can, diverse Fußballbilder zwischen Marienbildchen, Formel1-Bilder neben röhrenden Hirschen.

Der Wirt hatte einen Helfer, nennen wir ihn Pedro, seinen richtigen Namen habe ich nie erfahren. Er kam zu unregelmäßigen Zeiten, räumte die Tische ab, spülte, bediente die Kaffeemaschine oder den Zapfhahn während der Chef sich in der Küche rumtrieb. Der Typ hatte stets ein wissendes verschmitztes Lächeln auf den Lippen, er war meist gut gelaunt und ich freute mich immer, ihn zu sehen.

Und jedes mal, wenn er die Bar betrat, steuerte er zuerst auf ein gläsernes Regal hinter der Bar zu. Darauf ein Heiligenbildchen, daneben eine winzige Blumenvase. Und in die steckte er jedes mal einen frischen Stengel Petersilie. Anfangs hielt ich das für einen Spaß, aber als sich das wieder und wiederholte und das Fragezeichen in meinem Gesicht offensichtlich groß genug war flüsterte er des Rätsels Lösung. Das sei der Heilige der arbeitenden Bevölkerung und er sei eben froh, dass er hier Arbeit gefunden habe.

Irgendwann wurde die Bar endgültig geschlossen, ich habe „Pedro“ danach noch einige Male im Viertel getroffen und er erinnerte sich an mein Fragezeichen-Gesicht, über das er sich nach Jahren noch schlapp lachte. Aus der Bar ist wie häufig in den letzten Jahren ein pakistanischer Gemüseladen geworden, rund um die Uhr geöffnet……Und das ganze Viertel ändert sich wie überall auf der Welt.

Kulinarische Begegnungen 13 – Josep

3. September 2018

Von den zahlreichen noch verbliebenen authenischen Bars in Barcelona ist mir das „Cova Fumada“ eine der liebsten. Sie befindet sich in Barceloneta, dem ehemaligen Fischerdorf nahe des touristisch versauten Strandes von Barcelona. Ein großes doppelflügeliges Holztor und ein kleines vergittertes Fenster – mehr ist von aussen nicht erkennbar. Kein Schild, keine Klingel, nichts. Erst wenn das Tor offen ist, meist ab elf Uhr morgens, erkennt man eine abgerockte Kaschemme, links ein kleiner Marmortresen, dahinter wandhoch ein alter hölzerner Kühlschrank mit großen Türen, rechts eine winzige offene Küche, geradeaus ein paar Marmortische und ein Hinterausgang. Platz findet etwa vierzig Personen. Es ist eng, es ist laut und es ist toll. Die Stromkabel liegen offen, abenteuerliche Kontraktionen für Kaffeemaschine und -Mühle, das Flaschenregal hat ein schlechter Heimwerker gebastelt. Kurzum, die Bude ist Kult.

Die Kölner Leser werden sich an den alten Lommerzheim in Deutz erinnern, jenen mundfaulen und immer mürrischen legendäre Kneipenwirt. So ähnlich ist auch der Chef vom Cova Fumada. Der steht stoisch hinterm Tresen, hat alles im Blick, spricht wenn überhaupt nur mit Katalanen die Stammgäste sind.

Etwa zehn Minuten nach Öffnung ist die Kaschemme immer brechend voll, eine wartende Menschenmenge vor der Türe ist eigentlich immer normal ebenso wie die Dreier-Reihe an Gästen am Tresen, die mit den Hufen scharren um sich endlich mit den Köstlichkeiten der Küche verwöhnen zu lassen. Doch vor dem Genuss muss man Josep überwinden, bzw. ihm ein eindeutiges Zeichen geben. Josep ist so etwas wie der Platzanweiser des Restaurants. Immer, wirklich immer ist er an karierten Hemden zu erkennen, schwarze Haare, dünne Brille. Nur ihm obliegt es, die frei werdenden Sitzplätze neuen Gästen zuzuordnen, nicht immer wird dabei die Reihenfolge des Eintreffens beachtet. Er hat ein eigenes System, das aber gut funktioniert. Wer das nicht weiss und sich erdreistet ohne seine Zustimmung Platz zu nehmen, darf ganz schnell wieder aufstehen. Unerbittlich. Hier werden Regeln eingehalten. Am besten verläßt man dann rasch das Restaurant. So gehts ja nicht.

Während man sich also um den Tresen drängt, vielleicht von Chef schon ein Fläschchen Bier erhalten hat (der Wein hier ist ein Fratzenschneider, nicht zu genießen) empfiehlt es sich einen Blick in die Tresenvitrine zu werden, wo sich allerlei Muscheln, Tintenfischchen und ähnliche Kleinigkeiten tummeln und dann „Bombas“ zu bestellen und schon am Tresen zu verputzen. Das Cova Fumada gilt als Erfinder dieser Köstlichkeit, wahrscheinlich rührt auch daher der legendäre Ruf bei den Barcelonesen. „Bombas“ sind kleine Kugeln, bestehend aus einer fluffigen Kartoffelmasse (allerdings nur entfernt vergleichbar mit Kroketten), die werden hier als „normal“ mit einem Klecks Mayonaise oder als „picante“ mit einem zusätzlichen Klecks Chilisoße serviert. Hier gibt es die besten der Stadt. Und während nun die Bombas verspeist werden hat man Zeit, sich das Geschehen in der winzigen Küche auf der Zunge zergehen zu lassen. Zwei ältere Damen an einem uralten Gasherd, eine große Plancha und eine Minispülstation. That`s it. Nicht nur die Menge an Tellern, die hier beladen werden, sondern vor allem die Qualität der Speisen ist einzigartig. Produktqualität und Frische. Alles pur, alles ohne schnick-schnack. Meeresgetier, Würste, Artischocken, Kichererbsen, egal was, hier ist es top. Alleine der permanente Nachschub an Bombas ist bemerkenswert.

Ein zweites Bierchen, um die kleine Schiefertafel zu entziffern, die Carta del Dia. Jetzt gilt es, auszuwählen. Das ist wichtig. Denn solbald Josep endlich einen freien Sitzplatz offeriert  und man kaum Platz genommen hat, trommelt ungeduldig eine der beiden Serviceleute (es sind übrigens seit Jahren die gleichen und scheinen zum Inventar zu gehören) mit den Fingern auf die Marmorplatte. Gambas, Sardinen, Garbanzos mit Morcilla (Kichererbsen mit Blutwurst), das ist stets meine erste Bestellung.

In der Zeit, in der man also nun etwas entspannter auf die Teller harrt, die bald kommen werden, ist Muße, die komplette Szenerie in sich aufzusaugen. Der Lärm ist hier auf einem neuen Pegel, nicht nur von den Gästen stammend, sondern auch von Personal. Bestellungen werden in die Küche geschriehen, Porzellangeklapper. Es steppt der Bär. Und früher durfte hier auch noch geraucht werden…..Schon damals mochte ich den Laden.

Josep steht weiter im Mittelpunkt. Er ist umsichtig, freundlich, unerbittlich. Er hat den ganzen Laden im Blick, auch die Küche, er kennt die Vorräte an Frischfisch, er weiß wieviele Gambas noch da sind. Und er verständigt sich nur mit Blicken mit dem Chef hinterm Tresen. Der hat inzwischen auch „seine“ Türe auf die Strasse geöffnet, denn er muss angesichts der wachsenden Menschtrauben immer häufiger nach dem Rechten sehen. Und er verzieht keine Miene. Drinnen geht nichts mehr, Die Leute warten in Viererreihen am Tresen. Jeden Tag. Das gehört sich hier so. Das ist Normalzustand. Und wenns richtig abgeht, dann verzieht sich Josep hin und wieder durch den Hintereingang. Zigarettenpause. Habe ich schon einige Male mit ihm zelebriert, das waren immer lustige Minuten……..Bei aller Hektik, bei aller Lautstärke – die Menschen vom Service bleiben souverän, die erleben das täglich, die sind abgehärtet. Ich vermute, die gehören sogar zur Familie.

Nur einmal habe ich erlebt, dass ein Tourist nach ner Rechnung gefragt hat. Hä? Völliges Unverständnis. Dann die Reaktion: Mit Bleistift wurde die Zahlenkolonne auf die Marmorplatte geschrieben, addiert, Doppelstrich unter die Summe. „Make a photo“. Der Typ hat tatsächlich das Geschreibsel fotografiert und ehe er sich versah, war schon mit feuchtem Läppchen alles wieder blank. Das sind Situationen die ich hier so liebe.

Ein ganz klein wenig stolz bin ich ja schon, dass ich vom Chef inzwischen mit einem leichten Nicken erkannt und von Josep per Handschlag begrüßt werde. Stammgast eben. Aus obigen Gründen.

Kulinarische Begegnungen 12 – Das Rührei

2. September 2018

Susi K. hatte uns für einige Tage auf Ihr Anwesen nach Mallorca eingeladen. Dass man mit ihr Pferde stehlen kann, liegt nicht nur daran, dass sie eine Pferdezucht betreibt (der Gag musste jetzt sein). Sie kennt sich natürlich auf der Insel bestens aus, kennt Gott und die Welt und fährt Auto wie ein Henker. Alles bestens also. Sie hatte was in Porto Colom zu erledigen, wir fuhren mit.

Es war Mittagszeit, wir tranken den einen oder anderen Cocktail, leichte Hungergefühle stellten sich bald ein. In Blickweite das Restaurant „Sa llotja“ ( Link zum Restaurant hier.) direkt am Hafen, wunderbar gelegen, der Gastraum mit feiner Terrasse auf der ersten Etage. Genau das richtige jetzt. Die Luft wie Samt und Seide, eine leichte Brise ließ ihr blondes Haar flattern, die Pilotenbrille hatte sie hochgeschoben und blinzelnd bestellte sie erst mal weissen vergorenen Traubensaft, obligatorisch.

Warum ich diesen Mittag nicht vergessen habe, liegt an dem kleinen Gruß aus der Küche, den wir bestellten. Es war ein Sobrasada-Rührei mit Gambas. Dafür wurde die Sobrasada (jene fettige mallorcinische Paprikawurst) in der Pfanne erwärmt bis sie fast flüssig ist, dazu das verquirlte Ei und nur solange gerührt, bis das Ganze noch schön fluffig ist. Zwei gebratene Gambas dazu und fertig. Einfach, schnell, köstlich.

Solche Momente, solche Situationen sind Grund genug für kulinarische Reisen.

Als „dekonstruierte Tortilla“ serviert das Restaurant „Sant Antoni Glorios“ in Barcelona etwas ähnliches: Hier wird die Sobrasada separat vom Rührei geschmolzen und  gemeinsam mit vorher frittierten Mini-Kartoffelwürfelchen (fine-brunoise) in das nur einmal geklappte Rührei gelegt. Das sieht dann wie ein gefaltetes Omelett aus, schmeckt aber genau so sensationell.

Kulinarische Begegnungen 11 – Forellen an der Ahr

1. September 2018

Es ist das pure Idyll. In mitten der Weinberge unmittelbar an dem kleinen Flüsschen Ahr in Dernau gibt es einen Forellenteich, betrieben und gepflegt vom dortigen Angelverein. Eine umlaufende Wiese, fest installierte Bänke, abgeschottet und nicht einsehbar von der nahen Durchgangsstrasse. Es ist der perfekte Ort um ungestört feine Feste zu feiern, wie Freund Werner, seines Zeichens Dernauer Nebenerwerbswinzer, zu berichten wusste. Zu jener Zeit trafen sich einmal jährlich etwa zwanzig ausgehungerte Kölner an der Ahr an unterschiedlichen Stellen um in aller Ruhe Fleischberge über Holzkohle zu garen. Aber diesmal sollten es eben Fische sein. Und damit sich das Ganze auch zu einem richtigen Event entwickelt, sollten sie Fische natürlich vorher selber geangelt werden. So der Plan.

Werner hatte die Szenerie vortrefflich vorbereitet: Es gab ein großes überdachtes Zelt zum essen, Biergarnituren etc, es gab ein kleineres zum grillen, es gab zwei große Schwenkgrills, einen Räucherofen, es gab Eiskübel für den Wein und eine Kühlanlage fürs Bier. Der Gipfel, und darauf waren die Kölner besonders stolz, waren jedoch zwei von den Johannitern gelieferte und aufgebaute Sanitätszelte mit den entsprechenden Schlafpritschen und – Decken. Denn, das war von vornherein klar, niemand sollte nachher noch nach Hause fahren müssen.

Und damit wir auch alle vom Fisch satt werden sollten hatte Werner, unser Eifelscout, hundert lebende Forellen in den Teich einsetzen lassen und ein Mitglied des Angelvereins gebeten, nicht nur die Angeln, sondern auch Ködermaterial zur Verfügung zu stellen.

Gegen 14 Uhr treffen die Kölner nach uns nach ein, der kleine Parkplatz füllt sich schnell mit den schwarzen Limousinen, großes Hallo, die ersten Weinflaschen werden geöffnet. Stimmung wie immer in der Runde mehr als ausgelassen, schon jetzt. Kölner eben, großmäulig was die Angelausbeutevorhersage angeht. Keiner von uns hatte bis dahin jemals eine Angel in der Hand aber jeder wusste natürlich wie es geht, schon jetzt wurden geklugscheißerte Tips verraten, wichtig vor allem, Ruhe zu bewahren und Geduld zu haben. Genau das, was wir alle perfekt drauf hatten.

Der Mensch von Angelverein rief uns schließlich zu sich und erklärte, wie die mitgebrachten Maden am Haken zu befestigen seien. Die Städter verstört, angewidert angesichts der krabbelnden Tiere in die Blechdose, nix da, kommt nicht in Frage das Zeug anzufassen, so ging es schon los. Um es kurz zu machen. Es gab sechs Angeln, wir verteilten uns an unterschiedlichen Stellen des Teiches und warfen (natürlich extrem gekonnt) die Ruten aus. Hoffnungsfroh und siegessicher. Die ersten Minuten erwartungsvolles Schweigen, selbst die, die keine Rute in den Händen hielten, blieben diszipliniert, So verging eine Viertelstunde, nichts, eine halbe Stunde, nichts, Erste Zweifel, ob Werner tatsächlich auch hundert Forellen hat einsetzen lassen. Erste Ermüdungserscheinungen, manche versuchten ihr Glück dann in der Ahr, die wollten mit bloßer Hand dortige Fische schnappen. Statt dessen sind sie geschwommen…….Der Mann vom Angelverein konnte vor lachen kaum noch atmen.

Freund Werner sagte zu all dem nichts, er holte aus seinem Wagen eine große Box mit bereits fertig geräucherten Forellen. „Hann isch mir doch jedacht…“ Lang der Rede: Einen einzigen Fisch konnten wir während des ganzen Nachmittages bis zum Einbruch der Dunkelheit aus dem Teich fischen. Eine Forelle. Eine einzige. Wie peinlich.

Dennoch glühten die Grills, Fleisch gabs natürlich auch, der Wein floss wie vermutet auch diesmal wieder in Strömen.Und jeder hatte natürlich eine Ausrede, warum ausgerechnet bei ihm nichts angebissen hatte. Dann war Zeit für ein Feuerchen, denn die Damen fröstelten in der beginnenden Dunkelheit. Feuerkörbe. Werner hatte wirklich an alles gedacht. Chinesische Lampions wurden in den Himmel geschickt, dutzende und immer noch gab es Fleisch. Die Alibisalate waren ja sowieso nur für die Damen gedacht.

Und irgendwann löste sich nach und nach die Gruppe auf, ein Zelt für die Frauen, das andere für die Männer. Knallhart die Pritschen, kratzig die Decken.Nur Werner, der fuhr nach Hause, kurze Wege.

Schnitt: Der nächste Morgen.

Diskret verschweige ich die Gesichtsausdrücke am nächsten Morgen, die unausgeschlafene, schlechtgelaunte Bande restalkoholisierter Typen. Und dem wurde dann noch der Gipfel aufgesetzt. Im Gänsemarsch erschienen an die 8 Männer, deutlich erkennbar als Angler. Die würdigten uns zunächst keines Blickes, sondern warfen sofort ihre Ruten in den Teich. Na, dann wollen wir doch mal sehen… Es war unglaublich. Im Minutentakt fischten sie ein ums andere Tier aus dem Teich, rein in die Eimer, Rute wieder ins Wasser, zack, die nächste Forelle am Haken. Wir guckten uns an, ratlos, fassungslos und auch ein bisschen empört, denn das waren ja schließlich „unsere“ Forellen. Die reine Frustration. Bis sich die Chefin de Cuisine erbarmte, ein paar Fische ausnahm und Werner nochmal den Grill schmiss für ein zweites Frühstück. Mit Forellen.

Schnitt:

Diese jährlichen Grillfeste finden immer noch statt, in kleinerer Besetzung, nicht mehr so wild und auch etwas ruhiger. Nur Werner, der ist immer noch dem Wahnsinn nahe. 🙂 🙂

Und jedesmal, wenn ich heute eine Forelle beim Händler sehe, fällt mir dieser Abend ein, diese peinlichen Angelversuche von stümpernden Städtern.