Archive for Februar 2019

Kulinarische Begegnungen 82 – Edle Gärten

28. Februar 2019

Alles was ich über Tee weiß habe ich vor über vierzig Jahren in Köln gelernt. In Lindenthal gab es damals einen Laden namens „Edle Gärten“ als anfangs nur Tee- später auch Weinhandel. Das war ein durchdesignter großer heller Laden auf der Dürener Strasse, Inhaber Karl-Heinz Glees, der mit dem Rauhhaardackel. Jeden Tag gab es zwei unterschiedliche frisch aufgebrühte Tees im Ausschank, im Sommer auch als Eis-Tees, es gab einige Stehtische und es gab viele Stammkunden, die sich täglich am frühen Abend hier trafen.

Im Laufe der Zeit lernte ich Karl-Heinz Glees kennen, uns verband damals ein gleiches Cartier-Feuerzeug und die gleichen kulinarischen Vorlieben. Seine Geschäfte gingen gut, bald machte er einen zweiten Laden im Schürmann-Bau in der Kölner Altstadt auf, anderes Design, kühles grau. Während der Lindenthaler Laden sich dann mehr und mehr zum Weinhandel wandelte, blieb der Altstadtladen als reiner Teehandel bestehen.

Lindenthal blieb mein Stammladen auf dem Nachhauseweg mit der Folge, dass nun täglich Weine verkostet wurden, und zwar reichlich. Selten blieb das unter fünf Gläsern, meist schön gekühlte weisse Tropfen. Und es änderten sich auch die Stammkunden, jetzt kamen mehr die klugscheißernden Weintrinker, die Etikettenschlürfer, die die alles kennen und die alles besser wissen.

Seine Privatwohnung war wenige Strassen weiter, eine riesige Penthauswohnung, mehrere Weinkühlschränke und schon damals mein Augenstern, ein alter englische Ohrensessel, den er neu beziehen ließ, knallblau mit einem in der Rückenlehne aufgedruckten Starfighter mit Kondenzstreifen. Das Teil werde ich nie vergessen, so schräg, so passend in all den anderen antiken Möbeln. Und er war großzügig bis zur Verschwendung. Da wurden mal so nebenbei alte Bordeaux-Weine geöffnet, da gab es regelmäßig Chateauneuf-du-Pape und schwere Barolos. Für mich war das damals alles neu, es waren neue Geschmackswelten. Als passionierter Jäger gab es häufiger bei ihm Wildgelage…unvergesslich.

Und irgendwann ist er bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Aber ich denke oft an ihn, auch wenn ich in Lindenthal unterwegs bin.

Kulinarische Begegnungen 81 – To go

22. Februar 2019

Ich erinnere mich nicht daran jemals einen Caffee to go getrunken zu haben und auch das essen im gehen ist mir zutiefst suspekt. Der Kult um Pappbecher oder um designte Edelstahl-Thermostassen, womöglich gar mit Umhängeband geht komplett an mir vorbei. Und ganz schlimm finde ich auch jene Hipster, die ohne eine Wasserflasche offensichtlich nicht mehr im Dschungel der Großstadt überleben können. Handtaschen, aus denen eine Wasserflasche ragt, lösen bei mir fast schon Übelkeit aus. Und Brechreiz entsteht oft dann, wenn ich aus Flaschen biertinkende ganz coole Lümmel sehe, die vor Kraft und demonstrativer Coolness kaum laufen können.

Sei’s drum. Für to-go gibts für mich nur eine einzige Ausnahme: Samstag aufm Carlsplatz ein Matjesbrötchen vom Fischhändler des Vertrauens.

Kulinarische Begegnungen 80 – Süße Beruhigung nach arabischen Friseurbesuch

19. Februar 2019

Es gibt ja im Leben so manche Macke, die man sich angewöhnt hat oder die man kultiviert. Eine, die mir immer noch besonderen Spaß macht ist es im Ausland zum Friseur zu gehen. An meine Haare lasse ich normalerweise ausschließlich italienische Schneidekünstler, seit Jahrzehnten ist das so. Die entsprechenden Erlebnisse und Konversationen würden ein eigenes Buch füllen, der spektakulärste Friseurbesuch war jedoch im letzten Jahr in Barcelona und der musste mit einer kulinarischen Belohnung abgerundet werden.

Jeder weiß, dass Montags kein Friseurbesuch möglich ist. Klar. Aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt den Kopf zu erleichtern und hatte mich auf die Suche nach einem Coiffeur gemacht, der montags nichts besseres zu tun hat. Also einmal durch das Viertel tigern, am besten dahin, wo kein Tourist läuft, rein in die Tiefen des Barrio Raval. Die Idee, einen arabischen Haarschneider zu finden, entpuppte sich als durchaus geeignet, denn tatsächlich sehe ich einen kleinen, hell erleuchteten Salooooon. Vor der Türe lungern ein paar düstere Typen rum, drinnen sitzen noch welche gelangweilt, das Radio spielt erbärmliche Musik. Und trotzdem. Ich weiss nicht was mich geritten hat den Laden zu betreten und so nötig war der Haarschnitt ja nun auch noch nicht….Jedenfalls ich rein in den Schuppen. Ungläubiges Staunen aller Rumsitzer, einer von ihnen muss ja nun der Haarkünstler sein. Und genau der tritt nun nach vorne, schielend bittet er mich jovialst Platz zu nehmen, wickelt mir einen dieser unappetitlichen Plastikmäntel um den Oberkörper. So, jetzt kein Entrinnen mehr. Hinter mir die Jungs machen es sich noch bequemer, einer säubert seine Fingernägel mit einem Klappmesser und während ich mich unauffällig umschaue und den vor Dreck strotzenden Laden sofort wieder verlassen will, drückt mich der Chef in den Stuhl. Sein spanisch ist so schwach wie meins aber irgendwie kann ich ihm verständlich machen, was ich will.

Was macht der Typ? Klappt ein offenes Rasiermesser auf, zieht das über nen Lederriemen und verpasst mit einen astreinen Messerschnitt. Mir steht der Schweiß auf der Stirn, denn es kommen immer mehr eigenartige Typen in den Laden, verschwinden in die hinteren Räume, kommen kurz darauf wieder raus und lungern dann draussen auf der Strasse rum. Schnell ist klar, wo ich herkomme, das eine oder andere deutsche Wort wird stolz rausgestammelt und die Jungs hauen sich auf die Schenkel vor Vorfreude. Irgendetwas beunruhigt mich, ich werde dann doch leicht nervös und meine mir sonst angeborene Lässigkeit gerät in Gefahr zu schwinden. Und als der Schielende endlich mit dem Haarschnitt fertig ist, nonchalant den Spiegel an den Hinterkopf hält und fies grinst, ahne ich was kommt. Die Rechnung. Da bin ich aber mal sehr gespannt. Tja, der Spaß kostet sieben Euro. Kann man nicht meckern, denke ich noch so und nestele unauffällig nen Zehner aus der Geldbörse, strikt darauf achtend, niemandem Einblick in sie zu gewähren….komm ist gut, stimmt so, ciao bello und nur noch raus hier. Sofort Zigarette an und schon stehen fünf Cracks um mich rum und wollen mitrauchen. Kein Entrinnen. Na gut, es gibt noch ein paar Schulterklopfer und ein paar Sprüche und dann bin ich weg, ziemlich zügig mit einem ganz kleinem Umweg zu jener Bäckerei des Viertel, die die legendären Xuxos herstellt. Zwei davon sofort auf der Strasse zur Beruhigung verdrückt, es waren die köstlichsten.

Tags drauf beim schlendern durchs Revier: Großes Hallo von den Jungs sobald sie mich sehen, fettes Grinsen – aber alles ist gut. Tja, die Vor-Urteile…..

 

Kulinarische Begegnungen 79 – Pecorino toscano

18. Februar 2019

Das Eckhaus ist kein Eckhaus eher eine Eck-Hütte. Zwar gemauert und ziegelgedeckt jedoch schon deutlich verfallen. Die Bodenfliessen kaputt, die wenigen Fenster abgeklebt, die große Holztüre wurmzerfressen. Vor der Türe sitzt ein alter Mann auf einem Plastikschemel mit einem kleinen Jungen. Beide schneiden Tomaten in kleine Stücke – im Windschatten des Strandes an der versilianischen Riviera. Ein handgeschriebenes Schild weist den Bau als „piccolo paradiso“ aus, einer Verheißung, der ich schon damals gerne nachgebe. Restaurant wäre gelogen, Imbissbude träfe es schon eher.

Jeden Tag laufe ich hier vorbei, jeden Tag sehe ich die beiden vor sich hin werkeln und jeden Tag setze ich mich am frühen Nachmittag auf einen Plastikschemel und bestelle mir den einzigen angebotenen Imbiss. Tomatensalat mit Pecorino. Es gibt nichts anderes. Und ein Gläschen lauwarmen Weisswein. Und jedesmal ist es das gleiche Zeremoniell: Der alte Mann schlürft in das Innere des Baus, schneidet die Tomaten säuberlich in Achtel, ein paar Ringe Gemüsezwiebeln dazu, einige Tröpfchen Olivenöl darüber und etwa zehn Drei-Ecke allerfeinsten Pecorino daneben. Der kleine Junge serviert wortlos den Teller auf den wackeligen Tisch und der Alte schaut blinzelnd, wie ich mich über die Portion hermache. Dann sitzt er wieder auf seinem Schemel, zündet sich ein Zigarettchen an und scheint zufrieden.

Das geht zwei drei Jahre so, immer, wenn ich hier Urlaub mache ist eine der ersten Wege zu dieser Bude. Denn dieser Pecorino stellt alles in den Schatten, was ich bis dahin an Schafskäse geschmeckt habe. Und es hat lange gedauert bis ich dem alten Mann verständlich machen konnte, dass ich auf die Tomaten verzichte und nur wegen des Käses zu ihm komme. Und als wenn das ein geheimes Codewort gewesen wäre stellt er mir am nächsten Tag ungefragt einen Teller ölige Spaghetti auf den Tisch, einen Klumpen Käse und eine alte Reibe. Wie immer wortlos. Ich probiere und bin euphorisiert, denn das ist das erste Basilikum-Öl ever. Welch gute Idee…..Und das ist schon mehr als vierzig Jahe her.

Und heute? Ist die Bude abgerissen, dort steht jetzt ein Restaurant mit Meeresblick.

Kulinarische Begegnungen 78 – Lissaboner Küchen-Fado

17. Februar 2019

Wir sind nachts unterwegs in der Lissaboner Altstadt auf der Suche nach Essbarem. Das eine oder andere Gläschen Wein hatten wir schon degustiert, waren wie stets guter Stimmung und ziemlich hungrig. Und wie es der Zufall will, entdecken wir ein kleines Fischrestaurant, aus dem die herrlichsten Düfte auf die Straße herauswehen. Schon gewonnen. Wir rein, der Laden ist brechend voll aber wir bekommen noch einen der letzten freien Tische. Nur kurz der Blick auf die handgeschriebene Tafel an der Wand, wir bestellen und ordern ein Fläschchen kühlen Rebensaft. Wir überall im Süden herrscht auch hier laute und ausgelassene Stimmung, auch wenn wir nichts verstehen und uns erneut über die portugiesischen Zischlaute wundern.

Während wir gerade den Hauptgang verspeisen kommt eine korpulente ältere Dame aus der Küche, bindest ihre Schürze ab und beginnt lauthals zu singen. Ausser uns scheint das niemanden hier zu erstaunen, alle essen seelenruhig weiter nur ich bin ganz fasziniert über diese Darbietung. Und als ihre Gesangseinlage beendet ist, verschwindet sie wieder in die Küche und einer der Gäste schnappt sich eine an der Wand hängende alte Gitarre und singt ebenfalls ein kurzes Lied. Ich lehne mich zurück, gönne mir noch einen kräftigen Schluck Wein und beobachte, wie sich die Chefin des Restaurants, die bis dahin an der Kasse gesessen hat, für ihren Auftritt zurecht macht. Ich klann kaum glauben, was hier vor sich geht. Versteckte Kamera? Auch die singt alleine ein Lied, als Bluesmann erkenne ich die Intention des Gesangs und auch die anderen Gäste stimmen nun mit ein. Mindestens zehn Menschen singen jetzt wie geprobt, als ob es ein eingespielter Chor wäre. Meine Gänsehaut geht nahtlos über in Ergriffenheitstränen. Spontan-Fado? Mitnichten. In den nächsten Nächten erleben wir ähnliches in anderen Kneipen der Stadt. Der öffentliche Gesang hat meinen Lissabon-Eindruck nachhaltig geprägt. Wie auch der Geschmack von gebratenem Kabeljau.

 

 

Kulinarische Begegnungen 77 – Elena Arzak

16. Februar 2019

San Sebastian. Keine Stadt Spaniens hat mehr Sterne-Restaurants, in keiner Stadt ist die Kulinarikszene so ausgeprägt wie hier. Wir hatten ein straffes Programm geplant: Mugaritz, Berasategui, Arzak und danach ein Abstecher ins Etxebarri in der baskischen Pampa. Zwischendurch in diverse Pintxos-Bars, die gerade mitten im Wettbewerb steckten um die jährlich beste Pintxo-Kreation. Das alles innerhalb einer Woche, zugegeben eine Völlerei.

Wir begannen mit Arzak. Der Großmeister der spanischen Küche und großer Impulsgeber, der das Küchenzepter an seine Tochter übergeben hatte. Das Restaurant liegt an einer Ausfallstrasse von San Sebastian und macht auf den ersten Eindruck einen eher unscheinbaren Eindruck. Erst nachdem man den rustikalen Empfangsraum verlassen hat, öffnet sich hinter einer gläsernen Schiebetüre das eigentliche Restaurant: Sehr dezent und ruhig eingerichtet, wir hatten unseren Tisch auf der ersten Etage. Mittags alle Tische belegt. Das macht dann auch mehr Spaß, weil dann keine „heilige“ Atmosphäre herrscht.

Das Menu gibt es hier zu sehen. Es war state of the art, große Kochkunst, die uns begeisterte.

Elena Arzak, die perfekt deutsch spricht, bat uns nach Abschluß des Menus noch in die Küche für eine Führung. Dort hatte die Küchenbrigade (20 fest angestellte Köche und permanent 10 „Praktikanten“) aber schon alles wieder auf Hochglanz für den Abend gebracht. Es gab nichts zu sehen…..aber sie machte uns dann noch eine Liste jener Restaurants in San Sebastian, die wir unbedingt noch besuchen müssten. Es wurde eine längere Unterhaltung mit einigen Getränken……..Und die Liste abzuarbeiten hatte dann einen zweiten Besuch dort ein Jahr später zur Folge.

Kulinarische Begegnungen 76 – Raval

12. Februar 2019

Als ich vor etwa zwanzig Jahren das erste Mal in Barcelona war, konnte ich in jedem Reiseführer die Warnung lesen, nach Einbruch der Dunkelheit das Raval-Viertel nicht aufzusuchen.

Hier gibt es Strassenzüge, in denen nur Pakistani leben, andere für Südamerikaner, es gibt Strassen, da leben fast ausschließlich Marokkaner. Und je tiefer man in das Viertel eintaucht, desto dunkler die kaum vorhandene Strassenbeleuchtung und desto zahlreicher die oft obskuren Eckensteher. Puff und Porno, Drogen aller Art, große Hunde – hier im Raval ist das Eldorado für die echten Rock ’n‘ Roller. Taschendiebe sind hier zuhause, eigene Polizeistationen und permanente Polizeistreifen auf Motorrädern. Die Bronx von Barcelona.

Tagsüber gibt es im Raval ein typisches Geräusch, die donnernden Metallrollen der Skater, die hier ihren Treff- und Übungsplatz vor dem MACBA haben und nachts die Polizeisirenen. Das alles war schon vor zwanzig Jahren so und in den letzten Jahren ändert sich das langsam. Die Stadt hat viel in das Viertel investiert, angefangen von neu asphaltierten Strassen, neu angelegten Bürgersteigen, unterirdischer Müllabfuhr, täglicher Sperrmüllabholung etc. Es gibt neue Hotels, neue Museen, immer mehr frei geschaufelte Plätze und mit der Zeit wird das Barrio Raval ziemlich hip. Restaurants, Boutiquen, Bars – all das zieht eine andere Klientel an, die Atmosphäre des Viertels hat sich geändert.

Bis vor einige Monate gab es auf der Rambla del Raval eines meiner Lieblingsrestaurants, die Taverne de Succulent. Im Souterrain gelegen, damals von Carles Abellan gemanagt und als Spezialität angeräucherte Sardinenfilets. Eine Zeitlang war ich täglich deswegen dort, für den kleinen Imbiss zwischendurch…..Leider inzwischen geschlossen. Aber das Viertel ist voller feiner Überraschungen. Immer wieder.

Kulinarische Begegnungen 75 – Calçotada

11. Februar 2019

Jetzt beginnt sie wieder in Katalonien, die Zeit der Caçotadas. Das sind Feste, bei denen es ums essen geht. Um eben jene Calçots, die über Kohle oder idealerweise über Rebholz so, lange gegrillt werden, bis das Äußere schwarz verkohlt ist und das innere butterweich und zart herausgezogen werden kann. Calçots sind die Sprösslinge einer besonderen Zwiebelart, die wieder in die Erde gepflanzt werden und meist kiloweise verkauft werden. Traditionell werden sie in Katalonien auf Dachziegeln serviert. Und weil der Verzehr dieser feinen Köstlichkeiten selten unfallfrei vonstatten geht, bekommt man vorher in jedem Restaurant ein Lätzchen umgehängt, damit die Überkopf in den Mund geschobenen und vorher in Romesco-Soße getunkten Lauchstangen einigermaßen kleckerfrei verspeist werden können.

Egal wo man sie isst, egal wie groß die Tischrunde ist – es ist immer ein großer Spaß. Und ein großer Genuss.

Eine echte Calçotada ist dann nochmal was anderes. Das sind Feste in bäuerlichen Gegenden, bei denen zahlreiche offene Feuer brennen, hunderte Menschen sich dem Genus hingeben und meist auch eine Art Wettessen stattfindet, wer die meisten dieser Stangen verputzen kann.

Ein oder zweimal im Jahr mag ich die Calçots wirklich gerne essen, als Vorspeise, danach traditionell ein gegrilltes Kaninchen. Und reichlich kühlen Weisswein dazu. Im März wieder.

Kulinarische Begegnungen 74 – Chiringuito Escribar

9. Februar 2019

Eine Strandbude, etwas abseits der Touristenströme in Barcelona, weit hinter dem Olympischen Hafen. Ziel so mancher sonntäglicher Wanderungen entlang des Strandes. Weil hier gibt es eine Paella erster Güte und eine Fideua nicht minderer Güte. Jeweils in schwarzer oder weisser Version. Und Meeresgetier natürlich und Weisswein sowieso. Reservieren ist Pflicht, die Warteschlangen zur Mittagszeit sind sonst entmutigend. Die Bude ist ziemlich groß, geschätzt etwa 100 Sitzplätze, nach vorne zum Meer hin offen…….

Das letzte Mal waren wir zu 14 Personen. Sonntags mittags. Jeder wollte was anderes. Klar, alles mal probieren und dann die Teller tauschen. Wie man das so macht. Ein paar Flaschen Wein auf den Tisch auch etwas Wasser zur Tarnung. Zuerst ein paar Sardinen, Muscheln und Gambas für alle, dazu ein bisschen Pulpo und Alibisalat. Damit war das Essen eingenordet, klar auch, dass die Post abgehen sollte. Also dann jeweils eine weisse und eine schwarze Paella und eine schwarze und eine weisse Fideua (das ist ähnlich wie ne Paella nur statt Reis wied das mit kleinen winzigen Nüdelchen zubereitet). Die Tische haben kaum Platz für die riesigen Pfannen, schnell füllen sich die Teller und andächtiges Schlemmen an unseren Tischen. Selbst die beiden Kinder sind ehrfürchtig ergriffen und essen fleissig mit.

Nachdem der erste Hunger nun gestillt ist, weitere Weinflaschen geköpft sind, gehts an die Desserts. Crema catalan für alle, obligatorisch und das eine oder andere Zitronensorbet ginge ja auch noch……Selten hat sich der Rückweg in die Stadt so hingezogen, selten haben wir so viele Unterbrechungspausen benötigt, denn die slazige Meeresluft auf den Lippen…..es ist eben immer das selbe hier.

Kulinarische Begegnungen 73 – Carme Ruscalleda

7. Februar 2019

Ein halbes Dutzend mal haben wir die Fahrt von Barcelona nach San Pol de Mar unternommen. Meistens mit dem Zug entlang der Küste und die knapp einstündige Fahrt vorfreudig aufs Meer geschaut. Der Zug fährt mehr oder weniger entlang der Strandlinie Richtung Norden und der Bahnsteig in San Pol de Mar gibt sofort den Blick frei in den Garten des Restaurants und die komplett verglaste Küche. Ein kurzer Fußweg rund um den Bahnhof und schon ist man im katalanischen Gourmetparadies. Gewesen. Leider. Denn Carme Ruscalleda hat ihr Restaurant endgültig im letzten Jahr geschlossen.

Dass sie die Köchin mit weltweit den meisten Michelin-Sternen ist, dass ihr Küche aussergewöhnlich ist und dass es dort immer ein besonderes Vergnügen war, kann man anhand unserer Berichte hier, hier, hier, oder hier nachlesen.

Nur hier haben mich die Menus intensiv berührt, sie haben mir Ergriffenheits-Tränen in die Augen gedrückt. Vielleicht lag das auch an der besonderen Stimmung des Restaurants, der offene Blick aufs Meer und der exzellente Service. Was ich besonders bemerkenswert dort fand, und das wird mir auch immer in Erinnerung bleiben, dass für jeden Sprachraum muttersprachliche Servicekräfte den Gast umsorgten. Neben deutschsprechenden auch japanische, englische und französische Damen. Und die konnten alle jede noch so knifflige Frage nach Zubereitung etc. beantworten. Jedesmal. Und wenn am Ende des Menus die kleine Chefin persönlich an die Tische kam, dann gab es dann doch die eine oder andere Umarmung.

San Pol de Mar wird jetzt aber auch weiterhin Ausflugsziel bleiben, denn ganz am Ende des Ortes, nur zu Fuß entlang des Bahndamms zu erreichen gibt es eine Fischbude. Die lohnt auch. Allerdings anders.

Kulinarische Begegnungen 72 – Grüner Absinth in Soller

4. Februar 2019

Ein Bekannter hatte uns sein Feriendomizil in Soller auf Mallorca zur Verfügung gestellt. Traumhaft gelegen, unmittelbar neben der Kirche mit Blick auf den Marktplatz. Und weil der Bekannte disignaffin ist, war die riesige Wohnung nicht nur toll eingerichtet sondern auch mit allem ausgestattet, was für einen kulinarischen Urlaub nötig ist. Wir waren zu Viert und hatten die Idee, den dort damals wieder frei verkäuflichen Absinth zu probieren. Legendäres hatten wir von dem Zeug gehört, sollte einschlagende Wirkung haben etc. Also hatten wir uns auf die Suche gemacht und tatsächlich auch einen Laden gefunden, der den grünen Alkohol verkaufte.

Wir hatten abends gekocht. „Piementos del Patron“ und anderes. Von den etwa hundert Bratpaprika war eine höllenscharf. Die erwischte Nobbi. Der lief blau an, konnte kaum noch atmen, war kurz vor dem abnippeln, es war fürchterlich. Da half kein Trinken und kein Jammern, er musste da durch. Die andern zwar in Sorge aber schon schadenfreudig grinsend.

Und in diesem Stil ging der Abend weiter, das eine oder andere Fläschchen Wein floß wieder durch die erhitzten Kehlen, Nobbi begann seine legendären Tanzfiguren zu demonstrieren, untrügliches Zeichen für feinen Weingenuss – es war also so, wie so oft. Und genau die richtige Stimmung um den Absinth zu testen. Also wurden vier kleine Gläschen geholt, Zuckerwürfel und Teelöffel. Wir machten es so, wie wir es gelesen hatten, den Absinth über brennende Zuckerwürfel gießen und dann langsam schlürfen. Jeder erst mal ein kleines Testgläschen. Gar nicht so schlecht, ein bisschen Anis, ein bisschen Kräuter, kann man machen. Also nochmal ne Runde. Und die war zuviel. Denn im wahrstem Wortsinne hatte mir das zweite Gläschen die Beine umgerissen. Ich konnte nicht mehr stehen, schwere Schwindelanfälle ließen mich taumeln und nur auf allen Vieren schaffte ich es noch zur Toilette. Es war fürchterlich, und lehrreich. Nie wieder Absinth habe ich mir geschworen und selbst in der abgerocktesten aller Absinth-Bars im Raval-Viertel von Barcelona habe ich es mir verkniffen das namensgebende Zeug zu bestellen. Never ever.

Kulinarische Begenungen 71 – Becker und Welter

2. Februar 2019

Nochmal Eigelstein, nochmals ein inzwischen nicht mehr existierender Laden. Becker und Welter war die Kultmetzgerei vom Eigelstein, meine morgendliche Pilgerstätte für die belegten Frühstücksbrötchen.

„He darf jeschwaaat wede“ stand extra auf einem Schild hinterm Tresen. Und das Personal machte davon reichlich Gebrauch. Egal wie voll der Laden war, das Personal blieb entspannt beim Verzällcher. Abgesehen von der exzelletnen Qualität der hausgemachten Spezialitäten, das Beste passierte immer dann, wenn der Chef selbst mal kurz aus der Wurstküche in den Laden kam. Da kamen kölsche Sprüche, die den ganzen Laden toben ließen. Das war jedesmal ne Art Karnevalssitzung. Und selbstverständlich waren die meisten Kunden auch echte Kölner aus der ganzen Stadt. Auch die Polizisten von der Eigelsteinwache, die ganz harten Cracks. Da liefen Dialoge aus dem Kölner Bilderbuch. Da blieb niemand nen SApruch schuldig.

Morgens um sieben Uhr war ich jahrelang fast täglich dort, auch weil das eine der wenigen Gelegenheiten war, wo noch echter kölner Dialekt gesprochen wurde.

„Hätt isch in der Schull doch bloss besser opjepass, dat einzije, wat isch jelieert hann, is Wasser schnittfest ze mache.“ Werde ich nie vergessen, dieser Metzger war ein Urgestein. Schade, gibts nicht mehr den Laden, aus Altersgründen verkauft.

Kulinarische Begegnungen 70 – Chez Mario

2. Februar 2019

Klingt französisch war aber ein italienisches Restaurant in Köln. Auf dem Eigenstein, vom Tor her kommend kurz vor der Unterführung auf der linken Seite. Jahrelang der Stammitaliener für so manche Mittagspause. Zu Viert waren wir hier um die Spezialität des Hauses Kalbsschnitzel mit einer Senf-Zwiebel-Panade mit Pasta und reichlich Salbeibutter zu essen. Das ging jahrelang so, wir hatten einen reservierten Tisch und beste Connections. Und manchmal konnten wir für den nächsten Tag auch Fische ordern, die wurden dann extra besorgt und zubereitet. Der Pinot Grigio als Hauswein ging immer, Wasser ganz selten und mit den Jungs im Service tauschten wir so manchen Witz aus. Das war Italien in Köln at its best, und aus dieser Zeit scheint ja auch die Haltung vieler Kölner zu kommen, dass ihre Stadt die nördlichste Italiens sei.

Chez Mario war unser italienisches Mittags-Zuhause, es war eine wunderbare Stimmung hier, es wurde toll gekocht. Und wenn mal ein Koch ausfiel, dan haben wir uns auch nicht gescheut das Jacket auszuziehen und uns an den Herd zu stellen……Hatte jemand Geburtstag gröhlte das gesamte Personal schön schräg „Auguri a te“. Das war herzzerreißend.

Nach und nach wurde der Eigelstein dann von türkischen Einzelhändlern, Dönerbuden und Billigläden eingenommen, das Publikum änderte sich und dann machte Chez Mario irgendwann zu. Still und ohne vorher Bescheid zu geben. Wir standen vor dem ausgeräumten Laden und hatten Tränen in den Augen. Che cazzo.

 

Kulinarische Begegnungen 69 – Chez Alex

1. Februar 2019

Ende der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts gab es in Köln an Sternerestaurants den Goldenen Pflug und das Poele D’or und in der Kölner Altstadt, dort, wo sich heute das Peters-Brauhaus befindet und die weltbesten Mettbrötchen serviert, befand sich bis zum Jahr 1994 das Restaurant Chez Alex von Rachel Silberstein. Und das war mein allererster Besuch eines Sternerestaurants. Es war eine Einladung, halb geschäftlich, halb privat. Anzug und Krawatte damals obligatorisch, nicht nur bei Restaurantbesuchen.

Chez Alex war ein Restaurant ganz besonderen Zuschnitts, mehr Salon, mehr Plüsch, gestärkte Tischdecken, schwere Servietten, Silberbesteck, viel Deko und eine über alles wachende Chefin, die Grand Dame der Kölner Gastronomie. Französische Küche also auf Top-Niveau. Und es war eine überwältigende erste Kulinarikerfahrung, war doch alles hier so ganz anders zubereitet, als ich es von Mutters Küche und vielen Restaurantbesuchen kannte. Das ging bei exakt geschnittenem Gemüse los, setzte sich über Cognac-Sösschen fort und endete mit am Tisch flambierten Crepes. Mir imponierte das ganze Drum und Dran, der überaus höfliche Service, die Herzlichkeit von Rachel Silberstein. Kurz: Ich war schwer beeindruckt. Und es war die Initialzündung für vieles was danach kommen sollte. Und obwohl ich bekanntlich eher italophil als frankphil sozialisiert bin gibt es doch seltene Momente solcher Kochkunst wie damals, zuletzt im Sonnora, noch zu Helmut Thieltges Zeiten. Und es gibt in Köln ja noch Vincent Mossonnier……..muss ich auch mal wieder hin.