Archive for August 2018

Kulinarische Begegnungen 10 – Santa Lucia

31. August 2018

Im Norden der Toskana. Vorbei am Friedhof von Pietrasanta Richtung Camiore gibt es auf der linken Seite einen kleinen Abzweig. Nur ein kleines Holzschild weist den Weg in das Bergdorf Santa Lucia. Die zunächst harmlose Strasse entpuppt sich im Verlauf als feine Serpentinenstrecke, die insbesondere Nachts Außergewöhnliches bietet. Dann nämlich ist der ganze Berg ein ein feines, flimmerndes Leuchten getaucht, hervorgerufen von tausenden Glühwürmchen. Ende Mai Anfang Juni waren wir in verschiedenen Jahren mehrfach hier und hatten jedes mal das Glück dieses  doch ziemlich romantische Naturphänomen beobachten zu können.

Nach einigen Kilometern zahlreicher U-Turns gelangt man nach Monteggiori, einem kleinem Dorf, berühmt für sein Restaurant „Le tre Terrazze“ (Link hier), das eine phantastische Aussicht auf die versilianische Küste bietet. Ein Spaziergang durch das Dorf lohnt, aber unser eigentliches Ziel ist eine kleine Kneipe in Santa Lucia, direkt neben der Kirche. Die restlichen Kilometer sind schnell gefahren und wir lassen den Wagen unterhalb der Kirche stehen und gehen den steilen Hang zu Fuß weiter.

Ein kleiner Vorsprung neben der Kirche ist die Aussichtsstelle, die höchste des Berges, von hier können wir bis nach Carrara blicken, die nächtliche Küste vor uns. Und während wir so vor uns hin schwärmen, beginnt ein Chor alter Frauen, alle in schwarz gewandet, in der Kirche zu singen. Das Ave-Maria mit Inbrunst, nachts in Italien mit Blick aufs Meer. Gänsehaut. Ein unverlierbarer toskanischer Moment, den wir dann doch noch eine Weile auskosten und erst dann die kleine Kneipe neben der Kirche betreten.

Vor der Türe zwei wackelige Stühle, drinnen ein alter Wirt, der uns erst mal kühlen weißen Wein hinstellt und als wir die Frage nach einem Häppchen nickend beantworten bittet er uns, auf den Stühlen platz zu nehmen. Nach einer Zeit kommt er mit einem Tablett. Darauf Stullen. Nein, das waren keine Stullen, das waren Monsterstullen. Zwei zwei-Zentimeter dicke Weißbrotscheiben, dazwischen jeweils mindestens hundert Gramm Salami oder Schinken oder frischer Peccorino. Basta. Selten haben mir Stullen so gut geschmeckt, wie in dieser Nacht, in der es nicht bei dem einen Glas Wein geblieben ist. Wie immer eigentlich dort.

Heute steht an gleicher Stelle ein Slow-Food-Restaurant, bekannt für seine Wildschweinspezialitäten.

 

Kulinarische Begegnungen 9 – Der Adler

30. August 2018

Wer dieses Blog schon länger verfolgt weiß, dass der Landgasthof Adler in Rosenberg eines der am häufigsten besuchten Restaurants ist. Es war eines meiner Lieblings-Restaurants, leider inzwischen geschlossen, altersbedingt. Von den vielen herausragenden Menuteilen (die letzten 10 Jahre sind im weblog nachzulesen) sind mir zwei ganz besonders in Erinnerung geblieben und werden hin und wieder auch von mir kopiert. Das war einerseits ein handgeschnittenes angemachtes Rindertartar mit Matjes und andererseits in Olivenöl konfierte Rotbarben.

Doch nicht nur die Qualität der Speisen hat uns immer wieder nach Rosenberg geführt (der Feinschmecker kürte das Restaurant zum besten Landgasthof Deutschlands), es war vor allem eine ganz besondere Atmosphäre, die dort übrigens auch heute noch herrscht. Ganz wesentlich wird sowas von den Menschen bestimmt, die ein solches Restaurant managen. Marie-Luise Bauer, umsichtige Gattin den Küchenchefs, die beiden Töchter Katharina und Anna und – von mir immer ganz besonders begrüßt und geherzt –  die gute Frau Brenner. Eine ältere Dame, seit Jahrzehnten fester Bestandteil der Crew, ausgestattet mit einem schier brutalen Mutterwitz. Selten habe ich solche Schlagfertigkeit, gepaart mit Wärme erlebt, wie von ihr. Vielleicht lag das aber auch nur an der rheinischen Mentalität, die die Schwaben ja so gar nicht gewöhnt sind.

Egal ob wir alleine hier waren, zu viert oder zu acht, es war stets große Freude, hier zu schlemmen oder auch zu übernachten. Denn auch das Frühstück war immer ganz weit vorne.

Unser letzter Besuch fand statt, als sich schon abzeichnete, das Josef Bauer das Restaurant nicht mehr weiterführen wollte. Es war schon weit nach Küchenschluss, das Restaurant schon leer, wir saßen an unserem „Stammtisch“. Marie-Luise entkorkte noch ein Fläschchen Riesling-Sekt, Katharina brachte einen Aschenbecher (alleine dafür hätte ich sie umarmen können) und Josef Bauer kam aus der Küche dazu. So ganz unter uns wurden dann kulinarische Abenteuer ausgetauscht, Restaurant-Tips notiert und irgendwann brachte Josef Bauer diverse kleine feine Fläschchen aus der Küche. Ganz schräge exzellente Balsamicos, wir haben sie löffelweise geschlürft, er brachte Öl zum probieren….es war dann weit nach Mitternacht geworden. Dieser Abend hatte eine seltene Intensität, die zu erklären hier nicht möglich ist.

Heute ist Josef Brenner anders aktiv. Er hat seine alten Brennrechte aktiviert und macht Gin. „Sturzflug“ heißt das Zeug. Im Schwäbischen inzwischen berühmt. Im Internet zu finden. Gekocht wird auch. In der Restaurantküche. Mit seiner Frau, für sich. In Ruhe.

Ich müsste mich mal wieder auf den Weg nach Rosenberg machen. Nur so. Zum Besuch. Auf einen Gin.

Kulinarische Begegnungen 8 – Austern auf die Internationale

30. August 2018

Wir waren jung und wir waren ein bisschen übermütig. Im Jahre 2001, im milden Mai waren wir mal wieder mit einer gecharterten Motoryacht unterwegs, diesmal hatte wir als Route den „Canal du Rhone a Sete“ am Rande der Camargue ausgewählt.

Bei jeder Schiffstour obliegt dem Kapitän die vornehme aber verpflichtende Aufgabe das Logbuch zu führen. Dafür gibt es bei uns ein eigens in Leder gebundenes dickes Buch, vom Buchbinder gefertigt und mit den Jahren mit entsprechenden Gebrauchsspuren gezeichnet. Jeden Abend, nachdem „klar-Schiff“ gemacht wurde, bekommt der Kapitän einen Cognac, eine anständige Zigarre zur Inspiration und Motivation und dann darf er sich zurückziehen um den Tag zu dokumentieren. Und als Beweis der Wahrheit des Geschreibsels und Korrektheit der Dokumentation unterschreiben die Crewmitglieder jedes Tagewerk. Insofern ist das folgende verbürgt. Die Zitate stammen aus dem Original-Bordbuch.

Wir waren schon ein paar Tage unterwegs, hatten die eine oder andere Seemeile auf dem Kanal schon bewältigt und waren kurz vor dem Ort Saint Gilles. Dieser Ort, so hatte der mitgebrachte Reiseführer geschrieben, sei einer der Hochburgen der Le Pen Bewegung. So gar nichts für uns. Aber wir wollten unbedingt auf den dortigen Wochenmarkt, weil dieser zum einen wohl pittoresk schön sei, zum anderen aber auch weil wir unsere Gemüsevorräte auffüllen mussten. Der Kapitän riss mich aus dem leichten Dämmerschlaf am Oberdeck und bat mich auf die Brücke, an den Kommandostand. Kurzes Beratschlagen, wie zu verfahren ist angesichts der zu erwartenden rechten Gesinnung. Das sind Herausforderungen bei denen wir bis heute stets zu echter Hochform auflaufen.

Kapitän Norberto, in Seemannskreisen als der „Rote Käptn Nobby“ berüchtigt, ließ als erstes eine rote Flagge hissen. Und weil es an Bord zufällig ein paar rote Socken gab, zog jeden von uns eine an den linken Fuß. Und etwa eine Seemeile vor der Hafeneinfahrt sangen wir dann lautstark die Internationale. Gekonnt und ziemlich melodiesicher. Bis in den Ort. Dann die Hafeneinfahrt:

Stille, die Gespräche waren verstummt, erwartungsvolle Blicke, es lag was in der Luft.

Hinzu kam, dass die einzige freie Anlegestelle ziemlich kompliziert zu erreichen war, dafür waren diverse Manöver erforderlich. Der Kapitän blieb locker, demonstrative Lässigkeit. Aber es half nichts. Nur mit Hilfe der Bugstrahlruder, deren Benutzung beim Kapitän gegen seine nautische Ehre verpönt ist, schaffte er es, die komplizierten Manöver durchzuführen und das Boot einigermaßen nahe an die Anlegestelle zu bugsieren. Unter Freizeitkapitänen ist es üblich, bei Anlegemanövern zu helfen, Taue zu befestigen etc. Nicht hier. Keine helfende Hand rührte sich. Alles blieb sitzen und wartete. Also sprang ich leichtfüßig und behände wie es damals noch möglich war auf den Holzsteg und machte die mächtige Yacht provisorisch fest. Motor aus. Zigaretten an. Alle Mann von Bord, der Kapitän kontrollierte nochmals korrigierend die Leinen und dann ab zum Markt. Immer noch gespenstische Stille im Hafen.

Das Bordbuch vermerkt an dieser Stelle: „Die Glatzen verkriechen sich angesichts der geballten sozialistischen Grundüberzeugungen“.

Nur ein Franzose winkte uns von weitem an seinen Stand. Es war ein kleiner Marktstand, wir konnten noch nicht erkennen, was dort verkauft wird. Je näher wir aber kamen, desto mehr lief uns dann aber schon der Speichel. Frische Austern. Ob wir diejenigen seien, die da eben singend in den Hafen eingefahren seien, fragte er streng mit stechenden Blicken. Mais qui, claro. Ja, dann, langt hin Freunde, all you can eat und er begann Austern zu öffnen. und wir schlürften, 6-8 jeder, dann hörten wir anstandshalber auch auf, nicht aber ohne ihn nach einer Kneipe zu fragen, die anständiges Essen serviert. Natürlich kam der Tip, wir bedankten uns und nach solcher Vorspeise gings sofort in das von ihm empfohlene Restaurant. Das Bordbuch gibt erneut Auskunft, was wir bestellten: „Herzmuscheln in Aoili, Dorschbällchen in Pepperoni, Kaninchen in Wacholder, Entrecote mit Roquefort, Tintenfisch in roter Soße, Tarte, Mousse, Sorbet, Trester, Mirabelle.“

Nicht so schlecht, dieser Tag. Und frisches Gemüse haben wir erst am nächsten Tag besorgt.

 

Kulinarische Begegnungen 7 – Biroldo

29. August 2018

Der allererste Toskanabesuch musste verlängert werden, weil eine der Mitreisenden ins Krankenhaus musste (stazione reanimazione in Viareggio). Aber das ist eine andere Geschichte, die nicht in diesen Zusammenhang passt. Zu dieser Zeit überhaupt keine Italienisch-Kenntnisse, ausser den üblichen Vokalen wie si und no. Wir hatten uns in eine Pension eingemietet, die Nino und Lucia jeweils für eine Saison pachteten. Lucia, eine wunderbare Köchin und der Capo, dessen Hauptaufgabe in der Bedienung der Kaffeemaschine bestand . Und wenn die Diner beendet und die Gäste ihren cafe getrunken hatten und zum Abendspaziergang unterwegs waren, langweilte sich Nino.

Durch den Krankenhausaufenthalt war der Urlaub für uns irgendwie daneben, wir pendelten täglich zwischen Pietrasanta und Viareggio, es bestand Lebensgefahr für die Mitreisende. Die Nerven lagen also blank. Nix mit Strand und Erholung. Das hatte Nino natürlich mitbekommen. Und dann hatte er eines Abends die Idee, mich auf seine abendlichen Autotouren durchs Hinterland mitzunehmen. Welch wunderbare und nachhaltig wirkende Idee, denn diese Touren, es sollten zahlreiche werden, waren mein tiefstes toskanisches Erweckungserlebnis. Nino war damals so um die 60 Jahre, fit, drahtig und fuhr einen alten 127er Fiat. Wie alle Italiener, die ich kennengelernt habe, fuhr er abenteuerlich, Tempobegrenzungen verstand er höchstens als Empfehlung und die wenigen Ampeln hatten nachts sowieso keine Bedeutung.

Seine Familien wohnte in Camaiore und eines der umliegenden Dörfer hatte er als Ziel der ersten Tour auserkoren. Die Kommunikation mit ihm war damals noch schwierig, es ging – aber mit Händen und Füßen und viel gutem Willen auf beiden Seiten. Irgendwann verließ er die Hautstrasse und bog in eine Seitenstrasse ein, die sich im Verlauf zu einer Gasse entwickelte und hielt vor einem kleinem Lebensmittelladen, dessen Lichter schon verloschen waren. Aber die Türe war noch offen. Nino palaverte mit dem Besitzer, den er offensichtlich gut kannte, der machte daraufhin nochmals alle Lampen an, fuhr die Kaffeemaschine hoch und Nino sprach ständig von „Punch livornese“ und „Biroldo“. Ich verstand weder das eine noch das andere, aber der Ladeninhaber machte es dann klar. Er griff in die Vitrine, holte eine etwa zwanzig-Zentimeter-Durchmesser-Wurst und schob sie durch die Aufschnittmaschine. Die 3-5 Millimeter dicken Scheiben landeten auf Zeitungspapier, das alles reichte er mir rüber zum probieren. Das also war „Biroldo“ eine Art kräftig gewürzte Zungenwurst, ähnlich unserer Thüringer aber extrem stark gewürzt. Wunderbar lecker, wunderbar fettig. Nino grinste, genau die Reaktion hatte er erwartet und gab dem Ladenbesitzer ein Zeichen er mögen nun den „Punch Livornese“ machen. Es passierte folgendes: Ein Wasserglas wurde zu einem Drittel mit Brandy gefüllt, ein weiteres Drittel mit Rum. Dann kam die Dampfdüse der Kaffeemaschine rein, das ganze wurde erhitzt und obendrauf noch ein Ristretto und einen Hauch Zucker. Leicht rühren.

Das ganze nachts gegen 11 Uhr, der Hammer. Das weckt alle müden Geister. Nicht alle toskanischen Bars kennen dieses Getränk, hin und wieder aber habe ich es in den Folgejahren entdecken und genießen können.

Details und Informationen zur Biroldo habe ich hier gefunden. hier: https://www.fleischtheke.info/internationale-fleisch-und-wurstspezialitaeten/biroldo.php

Kulinarische Begegnungen 6 – Ding-Dong

29. August 2018

High noon in Viareggio. Wir waren durch den Hafen geschlendert, hatte uns an den Werften interessehalber jene dezenten Jachten angesehen, die mit güldenen Wasserhähnen, Marmorbäder und ähnlichem Schnickschnack den Geschmack dekadenter geschmacks-chaotischer Millionäre zu treffen scheinen. Die Mittagshitze wurde unerträglich für uns und es war ohnehin höchste Zeit, die staubigen Lippen mit einem gekühlten alkoholischen Erfrischungsgetränk zu benetzen. Von den zahlreichen Talenten der Chefin de Cuisine ist eine Fähigkeit besonders herausragend: Sie hat ein untrügliches Näschen für Kaschemmen und Restaurants aller Art. So auch hier.

Zielsicher sucht sie uns die beschattete Terrasse eines Lokals aus, wir bestellen Wein und Wasser und lehnen uns leicht erschöpft in die bequemen Stühle. Das Fläschchen Wein ist in der Hitze rasch verdunstet, also noch mal dasselbe. Und als ich nach ner Stunde etwa in den Laden gehe um zu bezahlen, entdecke ich nicht nur drinnen hinterm Tresen eine deckenhoch verspiegelte Regalwand voller Whisky- und Brandyflaschen, sondern hinten durch auch ein gut gefülltes Restaurant. Das war uns bis dahin vor lauter Durst völlig entgangen. Und selbstverständlich war die Chefin de Cuisine sofort einverstanden uns nochmal zu setzen, diesmal nach drinnen, hinten zu den anderen Gästen. Das waren ganz eindeutig Hafenarbeiter und Werftleute, schon erkennbar an den großen Portionen diverser Pastagerichte die auf den Tischen dampften. Es gab nur eine kleine Mittagskarte, wir bestellten Spaghetti con frutti die Mare, naturalmente. Und noch ein Fläschchen vom Weissen.

Und während wir genussvoll die hervorragend schmeckenden Nüdelchen schlürfen, setzt sich an den Nebentisch ein Mann im weißen Hemd und Stoffhose, der offensichtlich Stammgast zu sein scheint, denn er begrüßt nicht nur den Chef des Ladens, sondern schlendert sofort in die halboffene Küche und diskutiert mit dem Koch, was denn heute frisch auf den Tisch kommen könne. Und dann läßt er auffahren. Es beginnt mit einem Teller mit einer undefinierbaren orangenfarbigen Masse, die bis zu unserem Tisch duftet. Meine Neugier wächst im Sekundentakt, bis ihn schließlich zu fragen wage, was das denn sei. Langsam legt er die Gabel beiseite, dreht sich zu uns um, blickt uns beide prüfend an und dann reicht er seinen Teller zu uns, wir mögen das doch bitte schön selber probieren. Schon ein  wenig peinlich wagen wir es dann aber doch. Wahnsinnsgeschmack. Und er klärt uns auf. Ricchi di Mare. Seeigel. Hatten wir bis dahin noch nie auf der Zunge. Wir sind begeistert. Und als hätte er nur darauf gewartet, saust er erneut in die Küche und ordert nach. Dasselbe, was er für sich bestellt hat, nochmal für uns. Und ein prüfender Blick auf unsere Weinflasche, überhaupt nicht das richtige für das, was kommen soll, und er geht zum Weinkühlschrank und holt was anderes. Für uns. Dann kommt der Chef des Ladens und beide beginnen eine lautstarke aber freundschaftliche Diskussion welches denn nun der bessere Wein sei.

Und schon ist Stimmung in der Bude, die anderen Gäste diskutieren mit, dem Sprechtempo können wir dann doch nicht mehr folgen, also lauschen wir amüsiert und trinken. Der Gast am Nebentisch zieht weitere Flaschen für uns auf, per Degustazione. So ganz langsam wird mir das verdächtig, es ist schon viel Alkohol im Spiel für diese Zeit, doch das sollten alles nur Präliminarien sein, denn es kommt noch schlimmer.

Es kommen Muscheln, es kommen kleine Fische, es kommt eine Brasse, es kommt Gemüse und es kommen Desserts. Mir spannt der Ranzen, die ersten Alkoholwirkungen machen sich bemerkbar. Plötzlich ist die Chefin de Cuisine weg, zur Toilette denke ich und unterhalte mich in zunehmend besserem italienisch mit dem Menschen am Nebentisch. Von Glas zu Glas werden meine Sprachkenntnisse flüssiger, lässiger. Dann kommt die Chefin de Cuisine mit dem Chef, der streng blickt. Oh Gott, was ist passiert? Der Typ guckt in die Runde und dann fangen sie alle an zu singen….compleanno a te. Hatte ich ganz vergessen, mein Geburtstag. Und das hier. Sie muss ihm das gesteckt haben, selbstverständlich. Der Chef läßt die Korken knallen, im wahrstem Wortsinne, Prosecco für alle. Die noch übrig gebliebenen Werftarbeiter johlen, ihre Mittagspause werden sie lange überzogen haben. Und als Geschenk des Hauses wird mir dann noch feierlich ein rasch in Alufolie eingepacktes Kellnermesser überreicht. Ich bin gerührt, nochmal Prosecco und schön wäre ja auch, wenn der Koch auch nicht durstig bliebe.

Schließlich verrät uns der Mann am Nebentisch, sein Name sei „Ding Dong“, man kenne ihn hier. Und wir verabreden uns für den nächsten Tag, er möchte uns eine Enotheca zeigen, in Viareggio, die der in Camaiore (Nebrasca) in nichts nachstände. Er gibt uns die Adresse, die wir brav notieren und dann geht nichts mehr. Wir sind groggy. Jetzt eine ausführliche Siesta. Nur noch ganz kurz mit dem Wagen zum Hotel. Auf Schleichwegen. Alles gut gegangen. Und bezahlt hatte er auch die gesamte Zeche. Er liess sich auch unter massivem Protest nicht erweichen.

Kulinarische Begegnungen 5 – Flying Currywurst

28. August 2018

Norberto aus Köln, Matteo aus Berlin, Alfredo aus Dortmund, Andreo aus Karlsruhe und ich. Fünf Mann auf einem Boot. Der Klassiker. Wir hatten uns verabredet für eine Yacht-Charter in Holland. Norberto hatte ein feines 15-Meter-Teil ausfindig gemacht mit einer Ausstattung, wie wir sie immer brauchten. Ne Woche mal in Ruhe durch die Kanäle schippern, nicht das erste Mal, mit Norberto verbindet mich eine jahrzehntelange nautische Erfahrung und Gemeinsamkeit….(die Stories dazu würden eine eigene Serie hier verdienen).

Drei dieser Typen besitzen immerhin das Kapitänspatent, haben reichlich Erfahrung in der Führung großer und kleiner Schiffe, so dass die Aufgabenverteilungen während der Tour von vornherein klar sind. Ich in der Kombüse, Alfredo als Restaurantchef.

So eine Tour will ja kulinarisch und getränketechnisch gut geplant sein, wir hatten einen Speiseplan entworfen, verschiedene Menus mit jeweils passender Getränkebegleitung. Unverträglichkeiten wurden nicht akzeptiert, Weinpräferenzen erst gar nicht diskutiert. Vorräte eingekauft, Getränkekisten gestapelt, schon die Anfahrt mit den Autos sah mehr nach Weltreise als nach Wochenausflug aus. Alfredo wollte auch zum kulinarischen Gelingen beitragen und hatte für einen Abend die Küche für sich reklamiert um uns eine Original Ruhrpott Flying Currywurst zu kredenzen. Die dafür benötigten Zutaten hatte er alleine besorgt und in einer nicht einsehbaren abschließbaren Box verstaut. Nichts davon sollten wir vorher zu sehen bekommen, er wollte uns schließlich mit kulinarischen Genüssen überraschen. Also nahm er den zweiten Kühlschrank alleine in Beschlag. Niemand durft bis zu seinem großen Abend an den Kühlschrank, erforderlicher Getränkenachschub wurden ausschließlich von ihm serviert. Das alles steigerte natürlich die Erwartungen der verwöhnten Crew, alles ausgewiesene Feinschmecker, denen kein Menu zu groß und keine kulinarische Kreation zu ausgefallen sein konnte.

Und dann Alfredos Abend. Norberto hatte extra eine ruhige Ankerstelle im Hafen ausgesucht, der Tisch auf dem Oberdeck aufs Feinste eingedeckt, beschlagene Weingläser und volle Aschenbecher. Es könnte jetzt losgehen. Gut, Alfredo ist wahrscheinlich nicht daran gewöhnt alleine zu kochen, zuhause erledigt das natürlich seine Frau. Es dauerte weiter, die nächsten Flaschen wurden aufgezogen und wir malten uns schon aus, wie er wohl die Flying Currywurst servieren würde? Als Fingerfood? Im Schälchen? Oder Ruhrpott-like in der Pappschale? Mitnichten. Endlich kam Alfredo die Stufen zum Oberdeck, in der Hand den größten Topf, den das Schiff an Bord hatte. Darin kleingeschnittene Brüh- und Bratwürste in einer dicken roten Pampe. Wir mögen das bitte auf chinesische Art essen, alle Gabeln rein in den Topf und los. Es war der Horror, es war ungenießbar. Blankes Entsetzen bei allen, nur Alfredo grinste sich eins.

Einige Flaschen Wein später ist er schließlich mit dem Geheimrezept rausgerückt: Brüh- und Bratwürste kleinschneiden, kurz im Topf anbraten, ne Dose Tomaten dazu und ne Flasche Curryketchup, das Ganze zur Abrundung salzen und pfeffern und dann noch zwei grob gehackte Zwiebeln dazu. Alles einmal aufkochen, fertig. Ich warne ausdrücklich davor, dieses Geheimrezept auch nur im Ansatz auszuprobieren.

Kulinarische Begegnungen 4 – La Plata

27. August 2018

Es vergeht kein Barcelona-Besuch ohne mindestens einen Besuch in der Bar La Plata, die es an dieser Stelle seit 1943 gibt. Hier gibt es die mit Abstand besten frittierten Sardinen der Stadt. Als „Pescaditos“ wird ein Tellerchen mit etwa 12-15 Sardinen serviert, meist brüllend heiß, direkt aus der Fritteuse. Dazu ein Quinto, kleines eiskaltes Bierchen, und alles ist gut.

Kommt man gegen 14 Uhr oder später hat man Pech gehabt, dann ist die Bude rappelvoll, dann stehen draussen schon Menschentrauben und betteln um Einlass. Es ist schier unglaublich wie diese Bar seit Jahren immer beliebter zu werden scheint, längst kein Geheimtip mehr, die es in Bacelona ohnehin nicht mehr gibt.

Es werden hier auch noch zwei andere Spezialitäten angeboten: Tomatenscheiben mit Anchovis und katalansiche Bratwurststücke (Bottifara) auf Weißbrot. Mehr nicht. Alles ist von hervorragender Qualität zu Preisen, die sich jeder leisten kann. Meist verbietet es allerdings der Andrang und der Anstand hier mal länger zu sitzen.

Das Foto hat im Internet seinen Ursprung.

 

 

 

 

 

Kulinarische Begegnungen 3 – Xavi

27. August 2018

Ausser dem Taxifahrer, der mich vom Flughafen in die Stadt fährt, ist Xavi immer der erste Katalane, den ich in Barcelona treffe. Xavi betreibt eine Bar, eine barcelonesische Bar, keine Coctailbar. Seine Bar ist Frühstückskneipe, Mittagsmenu-Kneipe und Nachmittags-Refugium.

Vor ein paar Jahren hat er mir erklärt, das „Carajillo“, der Expresso mit einem Schuss Alkohol, auf katalanisch „Cigalo“ heißt. Das habe ich mir gemerkt, denn das ist wichtig hier. Wenn ich also nachmittags aus dem Taxi steige und meist noch mit Gepäck seine Bar betrete um eben dieses feine Erfrischungsgetränk zu trinken, kommt er auf mich zu, jedesmal, grinst mich an, fragt, was ich möchte und wenn ich dann das Codewort „Cigalo con Brandy“ über die Lippen bringe, freut er sich wie ein Kind und knallt mir seine große Pranke auf die Schulter. So als Begrüßung. Und dann kommt der Cigalo, halb Kaffee halb Brandy mit einem Hauch Zucker und einem kleinen Zitronenschnitz. Göttlich.

Und erst dann fragt er nach Befinden und Plänen, redet übers Wetter und den barcelonesischen Fussball. Ich kann ihm nur sinngemäß folgen.

Sein Laden war früher, als noch geraucht werden durfte, die Hölle – aber klasse. Heute ist das alles ein wenig gesittet, rauchfrei und auch der Zigarettenautomat, der mich so manches Mal aus der Verlegenheit rettete, ist inzwischen verbannt. Nicht geändert allerdings haben sich die morgendlichen Rituale, die hier täglich zu beobachten sind: Es beginnt um sieben Uhr. Das Rolltor wird hochgeschoben, dann weiss die Nachbarschaft sofort, das es los geht. Paco, der Mitarbeiter und Barrista, holt beim Bäcker Berge von Brot und Croissants, Lluisa, Xavis Gattin beginnt in der Küche die Töpfe und Pfannen zu bearbeiten und Xavi heizt die Kaffemaschine auf Betriebstemperatur. Zehn  Minuten später die ersten Gäste: Immer die gleichen. Menschen auf dem Weg zur Arbeit, Männer im Blaumann. Cafe solo, Brandy, Bier. Alles geht hier morgens. Kinder holen ihre in Alufolie gewickelten belegten Bocadillos, Frauen schlürfen ihren cafe con leche und die wenigen Plätze am Tresen belegen jene, die die tägliche Fußballzeitung studieren. Meist sitze ich gegen acht Uhr auch dort, Cafe solo und ein Teil, das hier nicht französisch Croissants bestellt wird, sondern als „Krossant“. Das ist nicht so, wie es die Spezialisten gerne mögen mit tausend hauchdünnen Lagen, sondern ein ziemlich ruppig in Schmalz gebackenes Teil. Aber muss hier so sein. Ganz selten gibts morgens auch die legendären „Xuxos“, jenes mit einer Art Vanillepudding gefülltes zuckriges schwere Gebäck. Dann gibts bei mir keinen Widerstand mehr, dann muss ich das haben.

Die wenigen Tische sind morgens rasch gefüllt, Paco serviert, Xavi hinterm Tresen und an der Kasse. Das ist ein eingespieltes Team, es gibt ständig kurze Kommandos in die Küche für spezielle Kundenwünsche und Lluisa machts. Ob Spiegel- oder Rührei, ob Marmelade oder Orangensaft. Alles geht, man muss nur fragen. Speisekarten braucht hier niemand. Und es kommen immer mehr Menschen in die winzige Bar, verschwinden in der Küche…..Jahrelang habe ich mich darüber gewundert aber nicht zu fragen gewagt, bis ich kürzlich erfuhr, dass die Bar durch eine extrem steile und schmale Treppe durch Küche erreichbar in der oberen Etage einen weiteren niedrigen Gastraum besitzt.

Gegen 11 Uhr wirds dann etwas ruhiger in der Bar, nicht aber in der Küche. Dort wird täglich das „Menu del Dia“ vorbereitet, jeweils drei Vorspeisen, drei Hauptgänge und drei Desserts, aus denen man sich sein 3-Gang Mittagsmenu zusammenstellen kann. Eine Schiefertafel ist die Annonce. Es ist Hausmannskost in reichlichen Portionen zum Handlichen Preis von rund zehn Euro. ab 14 Uhr ist dann hier erneut die Bude voll. Und laut. So, wie es die südländische Mentalität ganz offensichtlich braucht.

Und wenn ich am späten Nachmittag meinen Cigalo inhaliere, dann sieht man den drei aber auch an, dass sie sich auf den Feierabend freuen. Gegen 7 ist hier Schluss.

Kulinarische Begegnungen 2 – Tiziano

26. August 2018

Eine lange platanengesäumte Allee im Hinterland der toskanischen Versiliaküste macht nach etwa zwei Kilometern eine scharfe Rechtskurve. Bevor die Strasse von Camaiore Richtung Lucca die Steigung durch die Olivenhaine beginnt, sieht man auf der linken Seite dieser Kurve eine verwilderte Hecke hinter einem rostigen Zaun und ein schmales Tor. Wer es nicht kennt, fährt vorbei. Oder versehentlich geradeaus Richtung Nocchi.

Mehr als 30 Jahre ist es her, dass ich diesen Ort zum ersten Mal gesehen und das kleine Steinhaus dahinter betreten habe, damals noch nicht wissend, dass dies eine der legendärsten Enotheken Italiens war. Betrat man den nur schwach beleuchteten niedrigen Laden stand man erstmal vor einer kleinen Glasvitrine, die allerlei toskanische Würste, Schinken, Käse etc. offeriert. Auf der Vitrine mehrere Gläser, Baba au Rhum und ähnliches. Erst dann kommt der Flash. Alles, wirklich alles ist bis auf den letzten Millimeter voller Weinflaschen, stehend, liegend. Rechts und links vom „Eingangsraum“ jeweils weitere kleine Zimmer, beide bis unter die Decke voller Weinregale. Sowas habe ich bis heute nie woanders gesehen. Neben der kleinen Vitrine er: mehr als zwei Zentner schwer, kurz Haare, kleine Augen, mit ne Stimme, die die Weinflaschen klirren lassen. Er spricht laut, lacht. Das ist Tiziano, Chef vom Ganzen, Weinsammler, Weinhändler, Koch, Gastronom und Maniak. Einheimische Kunden, die hier einzelne Flaschen kaufen, werden ausführlich beraten, ausführliches Schwätzchen, Probiergläschen, und noch eins. Wie das so ist in Italien.

Die Frage, was man trinken möchte erübrigt sich. Bei meinem ersten Besuch überlasse ich ihm die Wahl, er stellt einen schweren toskanischen Roten auf den Tisch, aus der Region natürlich. Und als ich auf die listige Frage ob ich etwas aus der Vitrine probieren wolle selbstverständlich dezent nicke, schwingt er sich behende hinter die Aufschnittmaschine und legt los. Zuviel gibt es nicht, Portion ist Portion und er drapiert ein etwas Quadratmeter großes Tablett mit Pergamentpapier und schneidet von allem „was zum probieren“. Es war der Himmel, die feinsten Würte, Schinken, Peccorinos und ein komisches weisses Speckzeug, das ich damals noch gar nicht kannte. Lardo di Colonata. Der lagerte in einem Marmorbecken vor dem Tresen in allerlei Kräutern mariniert. Hausgemacht. Naturalmente. Diese Frage grenzte fast schon an Beleidigung.. Es kam eine zweite Flasche….Aber als er seine beiden im Garten freilaufenden Dobermänner heranpfiff, habe ich dann doch lieber bezahlt.

Schnitt.

In all meinen nachfolgenden Toskanabesuchen, und das mögen so an die zwanzig Aufenthalte gewesen sein, habe ich Tiziano besucht. Und irgendwann erzählte er auch, wie es zu dem eigentlich völlig unpassenden Namen der Enothek „Nebrasca“ gekommen ist. Als Kind habe er einen Western mit John Wayne gesehen, in dem dieser das Wort Nebrasca so lässig ausgesprochen habe, das habe ihm gefallen, bis heute. So simpel.

Jahre später hat mir seine Frau Luisa resignierend berichtet, dass der Laden etwa 20.000 „Etiketten“ habe und Tizianos Bestand aus etwa 150.000 Flaschen bestünde.

Und irgendwann war Tiziano dann woanders, die Enotheca führten seine beiden Söhne, er hatte einige KIlometer entfernt mit seiner Frau ein Restaurant gepachtet, umgeben von einem riesigen Park, pures Idyll. Der Zufall wollte es, dass ich davon zwei Tage vor Restauranteröffnung erfuhr und eingeladen wurde bei der ersten Degustation teilzunehmen….

Es war von vornherein klar, dass das keine normale Veranstaltung sein würde, wenn ein solcher Weincrack in der Küche steht und selber kocht. Es war eine Orgie. Etwa 150 Italiener lärmten um einen anwesenden Tourist, der sein eigenes Wort nicht mehr verstand. Auf den Tischen Berge selbstgebackenes Brot, Dutzende Weinflaschen, Antipasti ohne Ende. Hin und wieder erschien der Capo, schaute nach dem Rechten, brüllte für mich unverständliche Kommandos durch den Saal worauf die Gäste schier in Exstase zu geraten schienen. Und dann war es Stunden später soweit. Ein halbes Dutzend knusprig gegrillter Spanferkel wurde unter großem Jubel des Publikums durch den Saal geschleppt und rasch auf einem Marmortisch zerlegt und an die Tische serviert. Wer nun glaubte, dass jetzt etwas Ruhe ein kehren würde, sah sich so richtig getäuscht. Denn, soweit ich das mit begrenzten italienischen Sprachkenntnissen verfolgen konnte,  diskutierten 150 Menschen wie, mit welchen Kräutern diese kleinen Tiere so schmackhaft gewürzt seien. Quer über die Tische gingen die Meinungen ziemlich auseinander und der Capo lies sie zappeln. Ganz offensichltich genoss er diese brüllende Stimmung, er zog nun ununterbrochen weitere Weinflaschen auf. Mir spannte der Ranzen. Und weil zu der Zeit noch geraucht wurde hatte sich im Laufe des Abends die Luft zum schneiden verdichtet. Aber gut für den Durst, gut für die Desserts, es waren mehrere, an die ich mich allerdings nicht mehr erinnere. Aber an die Degistive: Es kam eine auf einem Eisengestell monierte Marmorplatte etwa zwei Meter lang und 60 Zentimter breit in den Saal gerollt. Darauf Grappas, Brandys, Liköre und all das, was der gemeine Italiener so gerne schlürft. Dazu ein ähnlicher Tisch voller Wassergläser, man möge sich doch bitte selber bedienen, der Capo und seine Crew seien jetzt groggy. Und das eigentliche Gelage begann…..

Für den ganzen Spaß hatte ich damals fünfzig D-Mark bezahlt und die Nacht im Auto verbracht.

Voriges Jahr war ich wieder einmal in der Toskana unterwegs und bin auch im „Nebrasca“ vorbei gefahren. Tiziano ist inzwischen verstorben, der Laden wird von Daniele geführt, einem Mitarbeiter der auch damals schon dabei war. Der Charme des Ladens ist verflogen, es gibt zwar noch einiges an Wein aber es scheint ein Treffpunkt der Jugend geworden zu sein. Flipperautomaten draussen und der typische Duft jener Kräuter die selbstgedrehten Zigaretten gelegentlich zugefügt werden.

 

Kulinarische Begegnungen 1 – Der Sarde – Teil 2

26. August 2018

Nach und nach kommen immer mehr Leute, Frauen, Männer, Kinder, bald ist die Küche mit mindestens 20 Menschen gefüllt. Zwei deutsche und der Rest Sarden. Es ist wohl die südländische Mentalität, dass sowas nicht leise passieren kann. Da wird diskutiert und gekluscheissert, da wird gehänselt und getrunken. Es ist höllenlaut. Aber alles passiert offensichtlich nach eine eingespielten Choreografie. Die Frauen putzen die Pilze, zerschnibbeln Gemüse und die Artischockenberge, die Männer kümmern sich um die Feuerstellen. N. befeuert den Kamin, Luigi zündelt am Holzkohlegrill vor der Türe und Arturo zerteilt mit einer überdimensionierten Heckenschere, die ihre besten Tage schon lange hinter sich hat, die Kaninchen in handliche Stücke. N. präpariert das Spanfekel auf einen Spieß der vor den Kamin montiert wird und holte die Töpfe und Pfannen aus seiner Vorratskammer. Und das sind Großküchenteile, die leer schon erschreckend schwer sind. Es wird getrunken. Reichlich „Aqua bionda“ so nennen die das sardische Ignusa-Bier.

Während ich in der nachmittäglichen Herbstsonne das eine oder andere Rauchopfer darbringe und mit den etwas mehr als rudimentären Sprachkenntnissen über das Jagen in den Bergen diskutiere hat N. inzwischen die Kaninchenteile angeröstet, Gemüse dazugegeben und mit reichlich Wein abgelöscht. Der Riesentopf kommt nun vor die Türe auf den kleinen Holzkohlengrill zum fertigschmoren. Auqa bionda.

Drinnen in der Küche werden Tische zusammengeschoben, Stühle aus der oberen Etage herangeschleppt und die erste Salami wird angeschnitten. Aquq bionda. Ab und an kümmert sich N. um das Spanfekel, noch ne Stunde erläutert er fachmännisch. Schinken wird aufgeschnitten und Tomaten und Gurken und Salat. Und Aqua bionda.

Und irgendwann mit Einbruch der Dunkelheit beginnt das „festa piccola“. Jetzt erst werden Weinflaschen geöffnet, der Mirto und der Grappa kommen auf den Tisch, die Stimmung wird ausgelassener, die Lautstärke fast infernalisch….

Und dann plötzlich Ruhe. Und dann fangen sie an zu singen. Singen, nicht grölen. Alte sardische Volkslieder. Richtig gut, ich bin wirklich ergriffen und gerührt.

Schnitt, ein halbes Jahr später. Wir hatten mal wieder für ein verlängertes Wochende einen Flug nach Olbia gebucht, unseren Besuch auch bei N. angekündigt und sein Freund Luigi hatte uns seine Ferienwohnung zur Verfügung gestellt. Angesagt war gemeinsames Kochen in N’s inzwischen komplett fertig gestellten Haus.

Ich erinnere leider nicht mehr was wir gekocht haben, sondern an das, was dem folgte.

N. hatte einen großen leistungsstarken Gitarrenverstärker aufgetrieben und eine alte Elektrogitarre, beides schon aufgebaut und angeschlossen im Musiksalon der oberen Etage seines Wochenendhauses. Er an der „Batteria“ und ich an den Saiten. So ein bisschen rumgerockt, Jumping Jack Flash und ähnliches was jeder Gitarrenquäler eben so drauf hat. Alles easy, alles leicht schräg aber lustig. Und während wir so vor uns hin zu musizieren versuchen erscheint ein Bekannter von N. mit seiner Frau. Schlaksige Figur er, etwa zwei Zentner sie. Er peschwarzes gegeltes Haar, sie grauhaarig, dunkelhäuig aus Kuba. Er möchte auch mal die Gitarre umschnallen, ein paar Akkorde durch den Verzerrer jagen und er will singen. Schaut mich auffordernd an. Ich bin das lebende Fragezeichen. Weder sangesstark noch in irgendeiner Weise textsicher. Welches Lied ich denn kennen würde. Mio dio, davon kennst du doch kein einziges.

Aber die Internationale werde ich doch wohl kennen. Zugegeben. Und dann rockten wir drei die Internationale mehr schräg als schön. und die kubanische Frau hatte Tränen der Ergriffenheit in den Augen.

Das alles ist jetzt mehr als 10 Jahre her. N. ist inzwischen aus der Koopetrative des Campingplatzes ausgetreten und hat ein eigenes Restaurant. Ab und an haben wir noch Kontakt aus der Ferne und es wäre mal wieder an der Zeit für Sardinien….. Wir hatten noch gemeinsame Reisen nach Paris und nach Barcelona. Davon später an dieser Stelle.

Und zur „Internationalen“ gibt es ein weiteres kulinarsich-spannendes Erlebnis aus Frankreich. Auch das irgendwann hier.

Kulinarische Begegnungen 1 – Der Sarde – Teil 1

25. August 2018

N. ist Sarde. Kein Italiener. Auf diese Unterscheidung legt er immer großen Wert. N. ist Koch. In Sardinien. Und Schlagzeuger aus Hobby. N., das ist für das Folgende wichtig festzuhalten, kann keine zwei Minuten still sitzen. Er muss in Bewegung sein. Er hat eine italienische Größe, also etwas kleiner als wir, stämmige Figur, durchtrainiert, schüttere Haare.

Es gab eine Zeit, da kam N. regelmäßig nach Düsseldorf um Freunde zu besuchen. Mindestens einmal monatlich landete er auf dem Kölner Flughafen, in der Hand eine kleine Reisetasche. Wobei das der falsche Begriff ist, „Provianttasche“ träfe es besser. Denn stets brachte er Schinken und Salami, Pecorino und Bottarga, Mirto und ähnliches mit. Das waren nicht bloße Souvenirs, das waren für ihn unabdingbare Zutaten für seine Küche. Denn er kam immer nach Deutschland, um für uns zu kochen. Und das ging für ihn nur mit „prodotti sardi – rigorosamente“ – das wurde zum geflügeltem Begriff im Freundeskreis, spätestens als er anfing auch sardische Eier zu transportieren.

N. kochte häufig auch in unserer Küche und an eine Begebenheit erinnere ich mich auch heute noch jeden Monat, sie ist in besonderer Erinnerung geblieben. Es ging um Spaghetti AOP. Ich stand mit ihm am Herd. Jeder die gleiche Pfanne, jeder die gleichen Zutaten, jeder die gleichen Nudeln. Wir kochten zusammen wie ein Ballett. Aber…..es ging darum, wessen Pasta denn nun besser schmecken würde. Natürlich waren die vom Profi besser, für mich bis heute darin begründet, dass er die Pasta eleganter durch die Pfanne wirbeln konnte, einhändig, lässig,souverän, während ich das damals noch ein wenig ungelenk nachzuahmen versuchte.

Ein Jahr später: Er holte uns vom Flughafen Olbia mit seinem neuen Transporter ab. Sichtlich stolz raste er in italienische Manier in Richtung seines Heimatdorfes, er müsse unbedingt einen Cafe trinken und den gäbe es nur in einem Laden im Nebenort direkt am Meer. Gut, der Cafe war ok, hätte aber nicht diese Strecke bedurft. Dabei ging es ihm um was ganz anderes. Denn die nächste Bucht, so erzählte er aufgeregt, sei die, wo es die besten Ricci die Mare gäbe. Und die müsse er heute seinem Vater noch besorgen. Also fuhr er mit uns in die nächste Bucht. Mit dem Bus direkt bis an die Wasserkante. Ein Sarde macht so gut wie nichts zu Fuss. Aus seinem Transporter holte er Gummistiefel, die ihm bis zum Ende seiner Oberschenkel reichten und einen Bambusstab, an dessen Spitze ein Metalldorn befestigt war. Er schnallte sich einen Korb auf den Rücken und watete in das immer noch türkisfarbene Wasser. Hin und wieder stieß er mit seinem Stock auf den Boden und warf die dunklen Stacheltiere in den Korb.

Nach etwas einer Viertelstunde kam es zurück, breites Grinsen im Gesicht, jetzt muss probiert werden. Mit der mitgebrachten Schere kurzer Schnitt quer durch die Seeigel, kurz im Meerwasser ausspülen und dann die kleinen orangen Zungen auslöffeln…….Der himmliche Jodgeschmack hallt bis heute nach. 🙂

Zu dieser Zeit war N. Mitglied einer Kooperative, die einen der schönsten Campingplätze an der Ostküste Sardiniens betrieb. Mitten in einem Pinienwald, der unmittelbar an den weissen Strand reichte der langsam in das türkise Meer überging. Kein Haus weit und breit, nur Natur und Meeresrauschen. Traumhafte Lage. Mittelpunkt des Campingplatzes war das Restaurant, das N. dirigierte und inszenierte. Das bedeutete auch, dass er für private Spässe nur ausserhalb der Touristensaison Zeit und Muße hatte – dann aber richtig. Als Beispiel ein Tag des folgenden Jahres.

Wir hatten uns im Hafen von La Caletta, einem kleinem Ort nahe Siniscola auf der Terrasse eines der Restaurants verabredet. N. kam pünktlich. Mit Eleganz, zu der nur italienische bzw. sardische Männer in der Lage sind, sprang er aus seinem Bus, und direkt nach der wie immer herzlichen Begrüßung konnte er kaum stillsitzen, er hatte „una festa piccola“ für den Abend im Sinn. Und dafür mussten frische Pilze organisiert werden und noch so einiges andere. Es folgten einige Telefonate per Handy, die für mich mehr nach Kommandos klangen, dann alle in den Bus und ab in die Berge. Unterwegs dorthin ein zweiter Wagen, vollbesetzt mit seinen Freunden. Und erst jetzt wurde mir klar, dass es nicht darum ging, Pilze einzukaufen, sondern wir gingen alle zusammen in die Pilze. Im Wald. Hatte ich noch nie gemacht…..

Die Schranke, die die Zufahrt in den Wald versperrte, wurde von N. selbstverständlich ignoriert, einfach hochgeklappt und weiter ging die Fahrt tief in den Wald bis zu einer Art Grillplatz. Jedenfalls gab es einen großen Steintisch und eine nicht weniger große Steinbank. Und als die Freunde dann auch da waren wurden die einzelnen „Abschnitte“ des Waldes unter uns aufgeteilt, jeder hatte ein relativ kleines Revier auf Pilze zu untersuchen. Wir waren vielleicht eine halbe Stunde unterwegs und die Beute offensichtlich ausreichend. N. gab das Kommando zum sammeln an diesem Grillplatz. Während wir über die Pilzausbeute erstaunt waren, zuckten die Einheimischen mit keiner Mine. Der Korb mit knapp einem Meter Durchmesser war randvoll mit frischen Steinpilzen, die wurden kurz auf dem Tisch sortiert und dann ging es sofort weiter. Denn das war je erst Phase 1 der Vorbereitungen. Um es abzukürzen: Kaninchen, Spanferkel, Berge von Artischocken, jede Menge Bier, Wein und alkoholfreie Getränke wurden bei jeweils anderen Händlern besorgt und nach und nach in den Bus geladen. Zwischendurch hielt N. mehrfach am Wegesrand, pflückte wilden Fenchel und anderes brauchbare Grünzeug und dann ging es ab in sein Wochenendhaus in den Bergen, das er erst vor wenigen Wochen soweit fertiggestellt hatte, dass man essen könne, wie er sagte.

Die gesamte untere Etage besteht aus eine großen Küche mit angeschlossener Vorratskammer und einer Toilette. Die obere Etage aus Bad, Schlafzimmer und Musiksalon, der Monate später noch eine besondere Bedeutung erlangen sollte……… Die Aussicht des Hauses ist grandios, auf der einen Seite das Mittelmmer auf der anderen Seite Berge, Berge, Berge. Ohne Auto kaum zu erreichen, die Straße dorthin eine abenteuerliche Schotterpiste.

Wie es hier weitergeht

22. August 2018

Die meist vorteilhafte Perspektive der Rückschau birgt die Gefahr der Verklärung oder der Beschönigung. Dennoch möchte ich die Idee verfolgen, kulinarische Begegnungen der letzten Jahrzehnte, die häufig wie Einflüsterungen wirkten, zu beschreiben. Es sind Begegnungen gewesen mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, mit unterschiedlichen Mentalitäten und in unterschiedlichen Zusammenhängen. Meist in Italien oder in Spanien, einige in Skandinavien. Das sind Geschichten und Erlebnisse, die unverlierbar waren. Sie alle haben zu tun mit Genuss, mit Spaß, mit Alkohol oder mit Kochorgien.

Diese Geschichten werden keiner Chronologie folgen, sondern sich spontan ergeben aus dem Gedächtnis. Und viellleicht werden sie auch meine kulinarische Prägung aufzeigen und solche Einflüsse klären. Ich bin selber gespannt.

This is the end

19. August 2018

Auf den Tag genau vor 10 Jahren wurde dieses Blog gestartet. Nach knapp 4.000 Beitragen, mehr als 11.000 Fotos, einigen Kilos mehr auf der Waage und reichlich grauen Haaren soll jetzt Schluss ein.

  • weil die Luft raus ist
  • weil der Spaß auf der Strecke geblieben ist
  • weil ich keine Teller mehr fotografieren möchte
  • weil mir die Monetarisierung der Blogszene nicht gefällt und weil mir die vielen SelbstdarstellerInnen  inzwischen auf den Senkel gehen
  • weil der ganze Hype um Neues und noch nie Dagewesenes nur noch lächerlich erscheint
  • und weil ich immer noch nicht weiß was „Trinkfluss“ meint

Kurzum: Es reicht. Vielleicht werde ich hin und wieder von Restaurantbesuchen berichten oder bei Facebook das eine oder andere kundtun. Vielleicht werde ich weiterhin über barcelonesische Küche und Restaurants berichten oder sonstige kulinarische Entdeckungen in Europa dokumentieren.

Es gab in den zehn Jahren viele treue Leser, es gab fleissige Kommentatoren, es gab Klugscheisser und es gab Fragende. Vor allem aber gab es zahlreiche persönliche Begegnungen mit Bloggern und Essverrückten (vor allem die „local heroes“ in Köln, Düsseldorf und Barcelona) die bleiben werden.

Hier wird etwas anderes entstehen…….

 

Ristarante Alfredo – Köln

15. August 2018

Seit 1973 gibt es dieses Restaurant in unmittelbarer Nähe des Kölner Opernhauses. Und ich war nun das erste Mal dort. Mittags, für ein Häppchen. Das gibt es dort aber nicht, dort gibt es nur feine Kost. Das Publikum: gegelte Anzugsträger und (wahrscheinlich) WDR-Leute aus den höheren  Etagen. Egal, die Küche leistet Hervorragendes. Das war nicht das letzte Mal.

Gruß aus der Küche: Panzanella (toskanischer Brotsalat)

Carpaccio von der Dorade mit Olivenöl und Pfeffer

Linguine mit Carabineros

Rotbarbe mit Pfifferlingen

Variation von Ziegenmilch

Pasta Pesto Genovese

9. August 2018

Hatte ich ewig nicht mehr, handgemachte Pesto….dazu ein Biowein aus dem Rioja…

Bar Rix – Köln

5. August 2018

Hier gibts nicht nur feine Weine (Schwerpunkt Frankreich) sondern auch das beste iberische Lomo ever auf der kleinen Speisekarte. Sensationeller Stoff, den ich auch in Barcelona so noch nicht gegessen habe. Und vor lauter Begeisterung auch nicht fotografiert. Und dann ist es doch wieder das eine oder andere Probierschlückchen geworden…….

Restaurant Il Nido – Köln

1. August 2018

Pasta, Trüffel, Parmesan. Trotz Hitze fein. Und danach ein Hauch Süßes.