Archive for Januar 2019

Kulinarische Begegnungen 68 – Bei den Roca-Brüdern

31. Januar 2019

Der erste Besuch bei den Brüdern fand statt, als sie noch in ihrem alten Domnizil nahe ihres Elternhauses kochten. Das ist bald zwanzig Jahre her. Wir hatten zwar reserviert, aber einen denkbar schlechten Platz in der hintersten Ecke des Ladens bekommen, neben uns ein dickleibiger Amerikaner, der fleißig Notizen machte und schon damals fotografierte, was auf den Tisch kam. Meiner Erinnerung nach war es eine ordentliches Menu, das mich aber nicht umhaute und mir auch nicht nachhaltig in Erinnerung geblieben war.

Das sollte sich aber dann gewaltig ändern, ein paar Jahre später mit den inzwischen doch schon zahlreichen Besuchen in dem neugebauten Tempel spanischer Gourmetküche. Auch wenn es heute nicht mehr ganz so unkompliziert ist, kurzfristig einen Tisch zu ergattern, der Laden ist jeden Kilometer Anfahrt wert. Juan, Jordi und Josep – die drei Brüder des Cellar de Can Roca sind Gastgeber. Die in einer eigenen Liga spielen und die einen enormen Aufwand treiben um herausragende Menus zu kreieren.

Ein Besuch dort ist mir ganz besonders in Erinnerung geblieben, aus vielerlei Gründen: Von Barcelona aus hatten wir ein paar Tage Sonderurlaub rund um Girona eingeplant, die Garotxa war unser Ziel, das traumhafte Hinterland der Costa Brava. Wir hatten ein kleines Hotel in der Nähe von Girona gebucht und uns die Gegend angeschaut. Was passiert? Wir entdecken ein zauberhaftes Restaurant, das ein Fisch-Degustationsmenu mittags offeriert. Und dazu haben wir noch nie nein gesagt. Und obwohl klar war, dass wir abends im Can Roca essen, gönnten wir uns also ein sechs-gängiges Fischmenu, passende Weinbegleitung dazu, wunderbar. Danach nur ein ganz kurzes Mittagsschläfchen im Hotel, umziehen und dann, immer noch leicht gesättigt, ab nach Girona…..

Juan Roca begrüßt uns herzlich wie immer und auf die Frage, ob wir mit in die Küche kommen wollen, kann die Chefin de Cuisine natürlich nicht nein sagen. Während ich mir den Maschinenpark dort ansehe, den Rotationsverdampfer erklären lasse und mich mehr in sie „süße Ecke“ orientiere, diskutiert die Chefin de Cuisine mit dem richtigen Küchenchef Feinheiten des Sous-Vide Garens. Die anderen Köche grinsen sich eins….

Dann gibt es ein Gläschen Cava in der Lounge vorab. Und es wird ein kleines Bonsai-Bäumchen auf den Tisch gestellt, an dem kandierte Oliven hängen. So als Einstimmung auf das Menu, das dort aus etwa zwanzig Tellern besteht. Und nachdem wir an unseren Tisch begleitet wurden, kommt Josep, der zweite Roca-Bruder und Sommelier. Beratschlagen welche Weine zum Menu passen, ok Weinbegleitung, nur so lernt man ja neue Tropfen kennen…. Lang der Rede, nach der Hälfte des Menus spüre ich dann doch leichte Sättigung und beginnende Müdigkeit, wohingegen die Chefin de Cuisine wie so oft immer munterer wird, die alte Nachteule. Meine Konzentration auf die kulinarischen Highlights lässt immer mehr nach und ich bin heilfroh als das Menu beendet ist. Ich bin müde. Josep Roca will uns aber noch den Weinkeller zeigen, ich kann kaum noch stehen vor Müdigkeit, setze mich nochmals in die Lounge und bestelle einen doppelten Expresso. Und die Chefin de Cuisine verschwindet mit Josep in den Weinkeller. Als sie zurück kommt findet sie mich schlafend mit nem kalten Kaffee auf dem Tisch…..extrem peinlich, ich schwöre, das ist nur das einzige Mal passiert.

Ziemlich euphorisiert erzählt sie auf der Rückfahrt zum Hotel von all den Schätzen im Weinkeller, von der Einkaufsphilosophie des Ladens und überhaupt, wie toll doch dieses Restaurant sei. Ich stimme ihr natürlich still zu….und zurück in Deutschland wurde unser Weinkeller dann nicht nur aufgerüstet sondern auch aufgefüllt…….

Fotos verschiedener Menus gibt es hier, hier und hier.

Kulinarische Begegnungen 67 – Shakerato

30. Januar 2019

Jahrzehntelang hatte ich auf der Fahrt in die Toskana Mailand stets weiträumig umfahren, um dann irgendwann diese Stadt per Flugzeug zu besuchen. Holger M., langjähriger Dozent an der Mailänder Uni, hatte mich vorher bestens mit einschlägigen Tips versorgt und mir dringend geraten, in einem Cafe einen „Shakerato“ zu bestellen. Das hatte ich in all den italienischen Jahren in der Toskana noch nie gehört und auch in keiner Bar gesehen.

Ende Mai also Mailand, sofort nach dem Einchecken ins Hotel wieder raus ins Getümmel, ne Bar gesucht um die erhitzen und trockenen Lippen zu benetzen. Ich bestelle einen Shakerato und sehe dem Barista zu wie dieses köstliche Getränk original zubereitet wird. Shaker mit Eiswürfel, darauf einen Expresso, die Frage „con zuccero?“ bejahe ich, also auch davon ein wenig in den Shaker und dann wird geschüttelt was die Baristamuskeln her geben. Das Ergebnis wird in ein vorgekühltes Martiniglas geseiht und serviert. Ein Traum. Kann ich inzwischen zuhause fast genauso. Klar, dass der Mailand-Besuch ganz im Zeichen dieses Getränk stand, bevor es Abends dann alkoholisch wurde.

Der spanische „Cafe con Hielo“ ist ähnlich lecker aber anders, weil weder Schaum noch Show.

Kulinarische Begegnungen 66 – Die Xampanyeria

29. Januar 2019

Diese Kaschemme sollte nur betreten wer keine Angst vor Menschenmassen und nicht seine besten Klamotten an hat. Das hier ist nichts für sensible Geister. Die Xampayeria ist eine der legendären Barcelona Bars, abgerockt und gerade deshalb Kult. Denn hier gibt es Cava zum Spottpreis, meist flaschenweise über den Tresen gereicht. Chance von diesem kühlen Labsal zu ergattern hat aber nur, wer es wagt, sich zwischen Dreier- und Vierergästereihen hindurch zu schlängeln und versucht, im hinteren Teil des dunkelenen Ladens ein Plätzchen zu finden.

Dann aber wird man belohnt mit dem kulinarischen Angebot. Würstchen in verschiedenen Varianten, meist von der Plancha oder frittiert. Es gibt belegte Brötchen, es gibt Schinken. Alles kommt nicht auf Tellern, sondern grundsätzlich in Papierservietten. Und zwar zügig. Die Jungs hinterm Tresen sind schweißüberströmt. Hier kommt trotzdem immer ein cooler Spruch. Gefackelt wird nicht lange. Denn wer hier arbeitet ist durchs Feuer gegangen. Der Lärm ist ohrenbetäubend, Unterhaltungen werden geschriehen und die Cavaschalen ständig nachgefüllt. Alle halbe Stunde wird der Boden des gesamten Lokals gekehrt, Servietten, Essensreste und gekleckerte Soßen en Masse. All das macht eine ganz besondere Atmopsphäre aus, die nicht nur von britischen und holländischen Touristen geschätzt wird. Das ist hier Barcelona Rock n Roll. Zu Preisen, die man kaum glauben mag. Das Glas Cava unter einem Euro……Und für mich immer ganz besonders zu beobachten, wenn Asiaten sich hierher verirren. Die nackte Panik in den Augen.

Mein erster Besuch hier ist fast zwanzig Jahre her, seither hat sich nichts verändert bis auf die Preise, die sind jetzt in Euro ausgezeichnet. Ganz hinten in der Kaschemme gibt es auch noch eine Art Lebensmittelverkauf. Konserven und selbstverständlich der Hauscava können hier kistenweise mitgenommen werden. Wenn man es denn schafft, solche zwischen den Gästen nach draussen zu befördern.

Übrigens: Am Kölner Barbarossaplatz gibt es eine Dependance dieser Bar, zumindest wird dort der Hauscava verkauft, ansonsten überhaupt kein Vergleich mit dem Original.

Kulinarische Begegnungen 65 – Bar La Pineta

28. Januar 2019

Mitten im Zentrum von Barcelona, dort, wo die Touristenströme ihre Shoppingrunden drehen, befindet sich die früher berühmte Bar „La Pineta“. Klein, eng, voll. Von aussen leicht zu erkennen, das Schaufenster voller Schinken und Würste, die Wände innen bis unter die Decke voller feiner Konserven, hintendurch Weinfässer, Flaschenregale und jede Menge Spirituosen. Im vorderen Bereich werden die Delikatessen verkauft, im hinteren Bereich wird getrunken. An kleinen weissen Marmortischen. Meistens Cava. Tapas gab es auch hier. Schinken, Sardellen und all jene Kleinigkeiten, für die die Stadt bekannt ist.

Die Bar war eine Goldgrube, die zwei Inhaber vorne an Theke und Kasse, zwei alte Kellner, die zum Inventar gehörten, machten den souveränen Service. Aber das ist leider nun vorbei. Die Bar wurde verkauft, die neuen Inhaber haben erstmal die Preise verdoppelt, schon ist die Bude leer, nicht mehr so einladend dekoriert und das Gesamtangebot nicht mehr so stimmig. Dennoch hoffe ich, dass der Laden weiter bestehen bleibt, denn ist ist noch eine Bar alten Stils, mit altem Interieur. Die werden immer weniger in der Stadt, denn hier ist viel Geld in der Gastronomie unterwegs, hier werden ständig neue Läden eröffnet und das Angebot an modernen Bars wächst ständig.

„La Pienta“ wird, so vermute ich, künftig von den Einheimischen mehr und mehr gemieden. Und wo nur noch Touristen trinken, geht meist die Atmosphäre verloren. Diese Bar ist Beispiel dafür.

Kulinarische Begegnungen 64 – Kiosko Universal

27. Januar 2019

Obwohl die Markthalle Boqueria in Barcelona immer mehr zur Touristenhölle mutiert, gibt es da doch die eine oder andere Entdeckung zu machen (siehe Nr. 60 dieser Berichte). Insbesondere der Bereich des Hinterausgangs erfreut bei jedem Besuch meine Augen und die Bude „Kiosko Universal“ im vorderen Bereich meinen meist hungrigen Magen. Das hat allerdings auch nostalgische Gründe, denn jedesmal, wenn ich mich dort für einen kleinen Imbiss hinsetze, erinnere ich jenen Besuch vor über zehn Jahren, als der Eifelscout, Werner Sch. von dem hier ja schon einige Male die Rede war, Barcelona besuchte.

Es ist etwa zehn Uhr morgens, der Stand wird gerade „gefüllt“, es werden Fische, Muscheln, Seeigel, Gambas usw. in die Vitrinen gelegt. Oben auf dem Tresen ein riesiger Berg gemischte Pilze. Und die sind Werner förmich ins Auge geschossen. Kurzentschlossen setzt er sich auf einen der jetzt noch freien Stühle, zeigt wortlos auf die Pilze und bestellt dazu ein Gläschen Cava. Einer der Köche schaufelt einen Berg Pilze auf eine der Planchas, einen Strahl Olivenöl darüber, etwas Knoblauch, ein bisschen Petersilie dazu und fertig ist die Portion Mischpilze für Werner. Der ist euphorisiert, will gar nicht mehr weg von hier. Die Pilze sind im Nu verputzt, sein Blick schweift über die randvollen Vitrinen. Gambas möchte er jetzt. Und sich am liebsten gar nicht mehr von hier wegbewegen. Ich möge ihn doch abends hier wieder abholen……. Dazu ist es selbstverständlich nicht gekommen, denn unsere Tapas-Runde hatte ja gerade erst begonnen und es stand noch einiges auf der Probier-Liste.

Aber Werner wollte noch nicht weg von hier, denn er hat gesehen, wie ein anderer Gast „solo mio“ bestellte und das möchte er jetzt auch noch. Und das perfekt gebratene und in kleine Würfel geschnittene Steak rundet sein zweites Frühstück dann aber endgültig ab.

Und dann einen kurzen Fußweg zur nächsten Station, die kleine Cava-Bude La Pineta.

Kulinarische Begegnungen 63 – Palamos-Gambas

16. Januar 2019

Es gibt in Barcelona eine ständige Diskussion ob nun Langusten, Hummer oder die Palamos-Gambas am besten schmecken. Ich gehöre ganz eindeutig zur Palamos-Fraktion, was wahrscheinlich auch daran liegt, wenn man diese dunkelroten Teile vor Ort in Palamos gegessen hat. Palamos ist ein kleiner Ort mit Fischereihafen an der Costa Brava etwas nördlich der unsäglichen Touristenhochburgen. Rund um den Hafen gibt es einige feine Restaurants, Spezialität dort auch gesalzene Anchovis. Doch die Gambas sind der Star. Sie unterscheiden sich nicht nur durch ihre dunkelrote Farbe, sondern vor allem durch einen einzigartig tollen Geschmack nach Meer und mehr. Und durch den Preis……

Die Roca-Brüder servieren sie roh, die Fischlokale servieren sie kurz gebraten auf der Planche, etwas Salz, fertig.

Und dann gilt es. Kopf ab und diesen aussaugen. Nicht ganz so mein Fall, die Chefin die Cuisine liebt das. Ich präferiere den „normalen“ Genuss. In Palamos haben wir sie auch als eine Art Fischsuppe bekommen oder auch als Tartar.

Kulinarische Begegnungen 62 – Beim Trüffelkönig in Istrien

9. Januar 2019

Über Südtirol und Triest waren wir nach Istrien gefahren, ne kleine Rundreise hatten wir vor, bestens vorbereitet was die kulinarische Versorgung betraf. Wir hatten ein Dutzend Restaurantempfehlungen in der Tasche, die fast alle hielten, was uns versprochen war. Von Novigrad aus ging es erst mal ins Landesinnere nach Livade. Dort, so hieß es, residiert der Trüffelkönig von Istrien Giancarlo Zigante, der dort auch ein eigenes Restaurant betreibt. Klar, dass wir dahin sind und das Trüffelmenu bestellten.

Nach dem obligatorischen grünem Salätchen der erste Gang. Handgemachte Pasta, feines grünes grasiges Olivenöl und darüber hobelt der Kellner reichlich feine Trüffelscheiben. Genüßlich stürze ich mich auf meine Portion, bin sofort begeistert und bemerke, dass die Chefin de Cuisine ihr Besteck hat fallen lassen.

Was ist los?

Geht nicht.

Warum?

Wurm.

Wo?

Hier.

Ich sehe nichts.

Zieh Deine Brille an.

Und als ich die aus meiner Tasche gekramt hatte sehe ich doch auch tatsächlich ein etwa ein Millimeter kleines bewegendes Etwas. Die Chefin de cuisine ist sauer. Nur wer sie kennt, bemerkt das. Sie winkt dem Kellner, reklamiert, der nimmt beide Portionen mit einer Entschuldigung weg. Jetzt bin ich sauer. Meine Portion schien einwandfrei. Egal, wir bestellen ein weiteres Fläschchen Wein, wie wir das ja häufig zu tun pflegen, sitzen in der Mittagssonne und lassen Gott einen guten Mann sein. Es dauert nicht lange, dann kommen neue Pasta, es wird eine neue Knolle auf die beiden Teller verteilt, diesmal geht alles gut. Auch der anschließende Wildschweinbraten mit einer kräftigen Trüffelsoße schmeckt vorzüglich, an die Desserts kann ich mich nicht mehr erinnern.

Seither schaue ich immer genau hin, wenn Trüffel auf den Teller kommen, nie wieder habe ich jedoch irgendetwas krabbelndes gesehen, trotz Lesebrille…….

Kulinarische Begegnungen 61 – Marokkanische Sardinen

8. Januar 2019

Marrakesh, Dezember 2014. Unterwegs in den Souks. Enge Gassen, Esel, Mopeds, Kamele. Es ist warm, es ist eng, es ist staubig. Aber toll. Das orientalische Gewusel, die Warenfülle, die Gewürze, es ist eine Farb- und Geruchsorgie. Ich lasse mich treiben, verlaufe mich natürlich, dringe immer tiefer in die Souks ein, immer weniger Menschen sind hier unterwegs und so langsam werde ich doch etwas nervös; weil sich die Atmosphäre geändert hat. Wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein aber irgendwie liegt Stress in der Luft. Ruhig bleiben, sage ich mir, entspannt bleiben, Zigarettchen anzünden, weitergehen.

Ein älterer Mann kauert in einer Ecke auf einem kleinen Plastikschemel und  zeigt wortlos zu einem gegenüberliegenden offenen Fenster. Dort sehe ich eine offene Feuerstelle, eine große Pfanne mit brutzelndem Fett und kleinen Fischen, die  frittiert werden. Es riecht herrlich nach frischem Knoblauch und so mache ich Handzeichen, dass ich fünf dieser Sardinen haben möchte. Die kommen rasch, werden aufgeklappt auf Zeitungspapier aus dem Fenster gereicht und kosten umgerechnet zwanzig Cent das Stück.

Es sind die besten Sardinen ever, das Knoblauchöl bringt eine wunderbare Komponente zum Fischgeschmack. Klasse. Und ich versuche mir den weiteren Weg durch die Souks zu merken, was mir auch gelingt. Am nächsten Tag bin ich wieder da, wieder sitzt der alte Mann auf dem Plastikschemel, er erkennt mich, winkt mir zu, holt aus den Tiefen seines Umhangs ein Handy, zeigt mir Bilder und fragt mich, ob ich eine Frau kaufen möchte. No thanks Sir, only the fish. Und wieder bekomme ich köstliche Sardinen.

 

 

Kulinarische Begegnungen 60 – Xuxos

6. Januar 2019

Xavi ( siehe Nr. 3 dieser Aufzeichnungen) ist mein Barcelonesischer Frühstücksbarista, der morgens den ersten und zweiten Cafe solo für mich bereitet. Den dritten trinke ich häufig auf der Boqueria, der inzwischen zur Touristenhölle verkommenen Markthalle an der Rambla. Die Bar Pinotxo ist das Ziel, denn der wahrscheinlich am häufigsten fotografierte Mensch in Barcelona, Juanito Bayen, Senior und Barista dieses Marktstandes, bietet bis etwa halb neun morgens „Xuxos“ an. Die liegen halb versteckt unter dem Tresen, mehr als zwanzig gibt es nicht, das Zeug ist rasch ausverkauft. Während nun morgens an diesem Stand schon fette Eintöpfe, gebratene Blutwürste, Muscheln und Gambas verputzt werden, steht mir um diese Uhrzeit meist der Sinn nach eben diesen Xuxos. Das ist ein in Fett frittiertes Hefegebäck, prall gefüllt mit einer Vanillecreme und reichlich Zucker drumrum, ähnlich unserer Berliner.

Selbst um diese Uhrzeit ist es kaum möglich, einen Sitzplatz dort zu ergattern, man bestellt also aus der zweiten oder dritten Reihe seinen Cafe und sein Xuxo. Und Juanito ist trotz seiner weit über achtzig Jahren flink an der Maschine, der Cafe kommt zügig und das Xuxo, tja das wird in einer Papierserviette, die kunstvoll um das Teilchen gewickelt wurde, über den Tresen gereicht. Und nun gilt es. Größte Vorsicht ist geboten beim  ersten Bissen, denn ein Xuxo ist derart prall mit Vanillecreme gefüllt, dass es unmöglich ist ohne Kleckereien zu genießen. Selbst die Damenwelt, denen Juanito das Teil mit einer Schere in mundgerechte Stücke schneitet, schaffen es nicht unfallfrei. Die Mundwinkel sind voller Pudding, die Lippen voller klebrigen Zucker und das Gesamterlebnis eine einzige Köstlichkeit. Der Cafe dazu schmeckt natürlich sensationell, ein weiterer spült die letzten Zuckerreste runter. Juanito beobachtet das immer aufmerksam und vor allem, wenn Japanerinnen sich an Xuxos machen, erhalten sie seine vollste Aufmerksamkeit, gepaart mit reichlich Schadenfreude.

So gestärkt, mit einem belohnenden Zigarettchen, starten ziemlich viele meiner Tage in Barcelona. Und dann ist es auch höchste Zeit für ein erstes Gläschen Cava……….

Kulinarische Begegnungen 59 – Mojama

5. Januar 2019

In Barceloneta gibt es eine Tapas-Bar namens Vaso D’oro. Es ist eine schmale, schlauchförmige Bar, gerade so schmal, dass man, wenn man denn einen Platz erwischt, gerade so am Tresen sitzen oder stehen kann. Diese Bar ist immer voll, mindestens in Zweierreihen tummeln sich hier die Einheimischen weil die Auswahl und Qualität der Tapas bestens ist. Es ist ein einziges Gedrängel, es ist laut, man trinkt hier „Flautas“ – Biere aus schmalen Gläsern. Der etwa fünfzehn Meter lange Tresen voller Köstlichkeiten. Hinter den Glasscheiben alles, was das barcelonesische Herz begehrt. Und was dort nicht liegt, wird von den Köchen in der verdeckten hinteren Küche oder auf der Plancha am Tresen frisch zubereitet.

Ich erinnere mich gerne an meinen ersten Besuch dort beim ersten Barcelona-Besuch, erstmal erschlagen angesichts der Auswahl dessen, was angeboten wird und aufgrund der Lautstärke, mit der hier alles stattfindet. Neben mir sitzt ein einheimischer Stammgast, der auf catalan mit den Kellnern, die alle in weißer Kapitänsuniform hier rumlaufen, scherzt und ständig Tapas bestellt. Während ich mir damals ein „solo mio con foie“ gönne, ein in kleine Würfel geschnittenes Steak mit einer Scheibe Foie, bestellt er einen Teller Mojama. Das war mir noch nicht bekannt. Es kommt eine Untertasse mit gesalzenen Mandeln, daneben liegen einige Scheiben dunkelrotes Etwas. Sieht aus wie Fleisch, ist hart wie Leder. Der Typ bemerkt meine Ahnungslosigkeit, erklärt mir, was es ist und läßt mich von seinem Teller probieren. Es handelt sich um gesalzenen und getrockneten Thunfisch. Schmeckt nach dem, was es ist, ziemlich salzig, ziemlich zäh, erfordert ziemlich langes Kauen aber perfekt zum Bier. Und gehört seither zu meinen Standard-Tapas in Spanien. Hier leider nicht aufzutreiben.

Kulinarische Begegnungen 58 – Garum

4. Januar 2019

Mehr als sechzig Barcelonabesuche bislang und ich entdecke immer noch kulinarisch Neues. Erst kürzlich im Restaurant „Dos Pebrots“, wo mehrere Gänge mit Garum angereichert waren. Das hatte ich bis dato weder gehört noch geschmeckt, aber es hat mich sehr begeistert und zu eigenen Versuchen animiert.

Die einen nennen es das „Maggi der Römer“, andere bezeichnen es als „Ketchup der Antike“. Fest steht, dass Garum eine jahrtausend alte Methode zur Würzung ist, basierend auf fermentierten Fischen, die wochenlang der Sonne ausgesetzt, mit anderen Zutaten angereichert und danach filtriert werden. Vinzent Klink hat im Internet eine Rezeptur für den Hausgebrauch vorgeschlagen.

Meine Versuche basieren auf seinem Vorschlag, jedoch etwas verändert. Zwei gewaschene gesalzene Ancovis in warmen (nicht heißem) Olivenöl so lange erwärmen, bis sie komplett geschmolzen sind, dazu zwei mittelgroße Knoblauchzehen kleingehackt und eine halbe kleingeschnittene Chillischote. Etwa fünf Minuten auf kleiner Flamme ziehen lassen (der Knoblauch darf keine Farbe annehmen) und dann zwei oder drei Stengel Koriander kleinstgehackt dazugeben (glatte Petersilie geht auch). Dazu einige Kapern. Vom Herd ziehen und abkühlen lassen. Wer mag, siebt das ganze vor dem Gebrauch, ich lasse es mit den festen Bestandteilen. Herausragend über Pasta.

Kulinarische Begegnungen 57 – Sardische Fliegen

4. Januar 2019

Eine Fahrt entlang der sardischen Westküste ist eine einzige Fotosession. Jede Kurve zeigt neue atemberaubende Ausblicke, heftige Steilküsten, unbändige Natur. Tankstellen selten, Hotels auch selten, die sind alle auf der Ostseite der Insel, Restaurants am Wegesrand hin und wieder.

Unsere erste mehrtägige Fahrt vom Norden in den Süden entlang dieser Küste war ein einziger Traum. Bis auf jenen Abend, den wir als „sardischen Horror“ nicht vergessen werden. Dabei begann alles so, wie im Bilderbuch. Ein rostiges Schild am Strassenrand weist den Weg zu einem Hotel. Wir folgen der kilometerlangen Schotterpiste bis an den Rand der Steilklippe, wo sich das Hotel befindet. Wir bekommen einen eigenen kleinen Bungalow mit Meeresblick, direkt an der steilen Düne. Wunderbare Aussicht, romantischer Sonnenuntergang und ein Abendessen auf der Hotelterrasse. Gegrillte Goldbrasse und danach Huhn in Bier geschmort. So unsere Bestellung. Doch kaum wird der Bilderbuch-Fisch serviert, verdunkelt sich der Himmel und Millionen Fliegen fallen über uns her. Millionen. Hätte aus nem Film sein können. An essen ist nicht mehr zu denken, wir schnappen die Weinflasche und die Gläser und flüchten in unseren Bungalow. Kaum ist die Türe geöffnet sind auch hier tausende Fliegen nicht mehr zu bändigen. Keine Chance, weder mit Chemie, noch sonst wie. Es ist die Hölle. Keine Ahnung wo die alle auf einmal herkommen. Muss ein Nest sein. Doch nach Spässchen ist uns jetzt nicht mehr zumute. Das ist nicht auszuhalten, denn auch draussen toben die Fliegen wie angestochen. Wir harren aus, bis zum nächsten Morgen, kein Auge zugemacht, ziemlich sauer, Stimmung ganz unten.

Am nächsten Morgen klärt uns der Wirt auf. Es sei Landwind, dann kommen die Fliegen von den umliegenden Rinderweiden ans Meer, er können nichts dagegen machen und auch er müsse warten, bis sich der Wind wieder dreht. Doch solange wollen wir nicht warten, reisen ab und machen nach einigen Kilometern Fahrt ein Nickerchen im Wald.

Schade um das Menu, es sah toll aus und Hühnchen in sardischem Bier hätte ja auch was haben können.

Kulinarische Begegnungen 56 – Die sardischen Schäfer

3. Januar 2019

Nochmal Sardinien. Irgendwo in den Bergen im nirgendwo. Bestes Wetter, strahlend blauer Himmel, ein lustiges Liedchen auf den Lippen, die Autoscheiben runtergedreht. Es ist früher Nachmittag und wir sind wie immer keck unterwegs, bestens gelaunt mit hinreichendem Zigarettenvorrat. Als in einer Haarnadelkurve plötzlich zwei finstere Gestalten ziemlich heftige und deutliche Signale geben, rechts ranzufahren. Oha, was nun? Hier passiert jetzt was, mein in vielen Jahren trainierter siebter Sinn für solche Momente ist in Habacht-Stellung. Betont lässig lehne ich mich aus dem Fenster, mein Gesicht ein einziges Fragezeichen. Jetzt ruhig bleiben.

Die zwei Männer kommen näher, dreckig, schwarze Hände, aber sehr freundlich. Ob wir nicht Lust hätten auszusteigen und mitzufeiern. Wie jetzt? Was wird denn wo gefeiert? Und die klären uns auf, weisen nach links in ein kleines Waldstück, in dem, wie wir erst jetzt bemerken, zahlreiche kleine Feuerchen brennen und etwa hundert Menschen in kleinen Gruppen fröhlich rumtanzen. Und nach dem Motto „wo gesungen wird, da lass dich ruhig nieder“, steigen wir aus dem Wagen und folgen den Männern in den Wald. Dort werden wir freundlich von einigen Frauen in Empfang genommen, die uns erklären, dass hier und heute das jährliche Fest der Schäfer stattfindet und wir wirklich gerne eingeladen sind, mitzuessen und mitzutrinken. Man drückt uns ein Glas Wein in die Hände, reicht uns verschiedene Käseplatten und bittet uns mitzumachen. An den Feuerchen, an den vielen kleinen Grillstationen. Und dort wird wohl alles gegrillt, was die Schäfer hier produzieren, da gibt es grobe Würste und kleine Hühnchen, da gibt es Lamm und Widschwein, es gibt roten und weißen Wein, Wasser nicht. Es wird gesungen und getanzt und nach einigen Gläschen bin ich dann auch bereit in das sardische Liedgut einzusteigen. Und das Schubidu beginnt, nein es werden sardische Volkslieder gesungen, mehrstimmig, es gibt Gitarren, es ist eine wunderbare Stimmung. Bisschen Gänsehaut vor Ergriffenheit.

Und als wir uns dann mit Einbruch der Dunkelheit veranschieden wollen und ich einen Obolus leisten möchte, wird dieser sehr entschieden abgewiesen. Nix da, es war uns eine Freude. Uns auch. Die Sarden………

Kulinarische Begegnungen 55 – Agriturismo Sardinien

2. Januar 2019

Eine Rundreise durch Sardinien ist impuls- und ereignisreich, sie ist voller Eindrücke und wunderbarer Momente. Stimmt schon: die Sarden sind keine Italiener……Wir hatten den Wagen in einem Schatten spendenden Pinienwald geparkt um einen Strandtag an der Ostküste der Insel einzulegen. Türkises Wasser, schneeweisser Sand, kühle Getränke…alles so, wie man sich das vorstellt. Als wir nachmittags zum Auto zurückkehren, flattert an der Windschutzscheibe ein Zettel, kein Knöllchen sondern die Einladung eines Agriturismos in der Nähe zum Abendessen dort. Annonciert wurde ein italienisches Menu für einen mehr als überschaubaren Preis. Die Chefin de Cuisine ist sofort Feuer und Flamme, also abgemacht.

Wir fahren also gegen abends zu diesem Agriturismo, glücklicherweise war auf der Rückseite des Zettel eine Anfahrtskizze gezeichnet, und erreichen  einen riesigen Bauernhof. Die große weiss gestrichene Scheunentor steht weit offen, drinnen zu sehen eine lange Tafel für zwanzig bis dreißig Personen. Eine mehr als siebzigjährige schwarz gewandete zahnlose Dame dirigiert uns zum Parkplatz und bittet uns in die Scheune, wo schon einige Menschen an der langen Tafel Platz genommen hatten.

So nach und nach kommen weitere Gäste, es wird laut, Wasser und Wein wird gebracht, die Stimmung steigt. Erste Wurst-Schinken-und Käseplatten werden serviert, dazu warmes frisch gebackenes Brot, mehr Wein. Anschließend Pasta. Einfach, gut, gemüsrig, voller Geschmack. Riesige Salatschüsseln werden aufgefahren, buntes frisches Zeug, jeder kippt nach Gusto Essig und Öl dazu, nochwas Schinken. Es ist eine wunderbare Stimmung, die eigentlich nichts weiteres mehr gebraucht hätte. Doch dann geht das Menu erst so richtig los. Gegrillte Fische, Stückchen Zitrone, Öl. Super, weil knackfrisch. Danach Chiquale vom Grill, traumhaft. Langsam spannt der Ranzen, noch ein Gläschen kühler Weisswein bevor Dolce kommt. Ausgerechnet die Torta della Nonna, einer meiner All-time-favorits. Jetzt reichts aber….nicht in Sardinien. Grappa ist obligatorisch, frisches Obst auch noch und dann Espresso, wie ihn sowieso nur die Südländer hinkriegen. Das Ganze hat etwa zwanzig Euro pro Person gekostet, jeden Cent wert und für immer ein unverlierbarer sardischer Moment.

Kulinarische Begegnungen 54 – Conca Verde Sardinien

2. Januar 2019

Wahre Gastfreundschaft erweist sich ja oft an Kleinigkeiten, an selbstverständlich erscheinenden Gesten, an freundlichen Begegnungen. Es war der erste von vielen Sardinienbesuchen, wir hatten gerade am Flughafen Olbia einen Wagen gemietet und etwa hundert Kilometer in nördliche Richtung gefahren als wir ein kleines Hinweisschild „Conca Verde“ am Wegesrand lesen. Die leichte Serpentine führt uns in eine kleine Bucht, ein Runddorf, nur wenige Häuser. Eines ist neu, designt, eine auffällige Einfahrt, ein Hotel. Wir halten und die Chefin de Cuisine, beruflich ohnehin designaffin, macht den nicht von der Hand zu weisenden Vorschlag, hier einfach mal für ein paar Tage einzuchecken für einen netten Urlaubsstart. Wir erfahren, dass das Hotel erst vor einigen Tagen eröffnet wurde und alles noch im Testmodus sei. Wir nehmen ein Zimmer zur Meerseite, Blick in die kleine Privatbucht, perfekt – und als Gipfel meiner Freude, eine mitten im Zimmer gebaute spiralförmige Dusche……

Nach ein paar Stunden am Strand dürstet uns. Die ausgedörrten Kehlen lechzen nach Flüssigkeit und wir schlendern an die Bar um das eine oder andere Gläschen frischen kühlen Weisswein zu schlürfen. Nachdem der Barmann eine Flasche Vermentino di Gallura geöffnet hat, kommt er nach ein paar Minuten mit einem Teller Parmesanstückchen zu uns, dekoriert mit einem Olivenzweig und einigen Tropfen Olivenöl. Er muss das Fragezeichen über meinem Kopf gesehen haben…..“No vino senza formaggio“. Sehr nonchalant, sehr souverän, sehr selbstverständlich.

Klar, dass die Tage dort ein wunderbarer Start für den ersten „Giro di Sardegna“ gewesen sind. Eine Rundreise, die wir ähnlich einige Male wiederholt haben und die jedesmal ähnliche Momente brachten.