Archive for Dezember 2018

Kulinarische Begegnungen 53 – Der Schwarzmarkt

25. Dezember 2018

Kürzlich wurde in Köln ein besonderes Jubiläum gefeiert. Der zehnte Schwarzmarkt im Marieneck, jenem inzwischen auch über die Stadtgrenzen hinaus legendären Laden für spezielle kulinarische Veranstaltungen. Der Schwarzmarkt ist eine Art Tauschbörse ohne kommerzielle Interessen ausschließlich für kulinarische Produkte. Zugang hat nur, wer selber was mitbringt, gekauft wird nichts, getauscht alles. Sonntags mittags finden diese Märkte statt, Beginn etwa vierzehn Uhr. Dann strömen die Teilnehmer bepackt mit schweren Kisten und Taschen in das Marieneck zum Aufbau und Präsentation ihrer mitgebrachten Produkte. Marco, der Hausherr entkorkt derweil die ersten Fläschchen vergorenen Traubensaft, die ersten Fachsimpeleien beginnen, es wird geschaut, was alles im Angebot ist. Waren es anfangs vorwiegend Marmeladen und Chutneys, Ketchups und andere selbstgemachte Sösschen, so hat sich das im Laufe der Jahre ein wenig verändert, weil die Produkte ausgefallener, die Zubereitungen professioneller oder die Versuche experimenteller geworden sind.

Da gab es die süße Fraktion mit Pralinen oder Honig oder Baumkuchen, da gab es die Experimentalfraktion mit Cola-Extrakten, die verdammt nah am Originalgeschmack waren, die Yuzu und Kalamansiverarbeiter, es gab Olivenpulver und fermentierte Eigelbe oder selbstgeräucherte Schweinefilets. Und es gab die große Fraktion der Alkoholcracks, die mit Lakritzschnäpsen, selbstgemachten Vermuts, Holunderlikören oder Lorbeerschnäpsen anreisten. Es gab Gänseblümchenschnäpse, Gins, es gab Weine und es gab Biere. Und selbstverständlich auch weiterhin diverse Marmeladen und Fruchtaufstriche, eingemachtes Obst und fermentiertes Gemüse. Alles wird probiert, alles wird begutachtet und alles wird getauscht.

Der Schwarzmarkt findet im Frühjahr und im Herbst statt. Und ist eine Pflichtveranstaltung.

Kulinarische Begegnungen 52 – Der Utecht.

17. Dezember 2018

Vor den Toren Düsseldorfs, am beginnenden Niederrhein gibt es eine intakte Wasserburg. Mit einem Gesindehaus. In dem lebt der Utecht. Mit seiner Frau. Die heisst Ute. Und mit ’ner Katze, die heisst Hans-Dieter oder so ähnlich. Rundum pure Natur, Idyll. Und Utecht hat noch nen Plattenspieler. Im Gebrauch. Und Ute ist DJane, unter anderem. Utecht war mal Journalist, ganz früher. Und hat für diverse Musik-und Popzeitschriften geschrieben. Und die beiden machen auch selber Musik, zum Spaß, in ’ner Band, spielen regelmäßig, treten aber nicht auf. Utecht hat ein Blog, seit Jahren. Und eine Tumblr-Seite, die heißt „songoftheday“ ausschließlich für allerschrägste Musik. Woher er diese Stücke auftreibt ist ständiges Rätsel.

Utecht ist der „Gemüsepapst“ aus Nordrhein-Westfalen, er kennt nicht nur alle Sorten und deren Geschichte, er kennt auch einen Biobauern, der solches anbaut. Darüber schreibt Utecht. Aber nicht nur. Der Utecht ist Aktivist. In vielerlei Hinsicht, nicht nur ökologisch. Er kümmert sich. Auch um geflüchtete Menschen.

Jeden Sonntag gibts im Gesindehaus selbstgebackenen Kuchen. Den macht Utecht. Oder er kocht. Oder, wenn er weder für das eine noch für das andere Lust hat, dann schaut er in die ihn umgebende Natur und heckt was aus. Das ist selten schlechtes. So hat er beispielsweise auch den Kölner Schwarzmarkt erfunden, jenen inzwischen zum zehnten Male stattgefundenen nicht kommerziellen Tauschmarkt fürs selbstgemachte Lebensmittel. Diese Veranstaltungen gibt es inzwischen auch in Bonn, Düsseldorf und Grevenbroich. Und war es nicht auch der Utecht, der die ersten Supperklubs im Marieneck auf die Schienen gestellt hatte? Die Summer of supper?

Jedenfalls ist der Jörg Utecht ein Aufrechter. Unbestechlich und seit einiger Zeit ganz besonders auf der Suche nach dem Bio-Ei in Restaurants. Denn er kennt sich aus in den Restaurants der rheinischen Domstadt. Weil er dort arbeitet.

Kulinarische Begegnungen 51 – Montbar / Mediamanga

17. Dezember 2018

Ebenfalls im Barcelonesischen Stadtteil Eixample das Restaurant „Montbar“. Von mir oft besucht und hier im Blog auch mehrfach schon beschrieben. Maitre de Plaisir der Montbar ist Jordi, ein stets freundlicher und zuvorkommender Restaurantleiter alter Schule. Und seinen Empfehlungen bin ich bislang immer gefolgt. Intensiv in  Erinnerung geblieben ist die hier schon mehrfach sehr genossene Ajo Blanco mit dekonstruierter Tomate. Die Suppe in einer Konsistenz wie Dosenmilch, herausragender Geschmack, ebenso wie die ebenfalls extrem feine Ceviche von der Palamos Gamba. Beide Gerichte finden sich regelmäßig auf der sich ändernden Tapas-Karte. Und noch ein bisschen besser das Schwesterrestaurant um die Ecke „Mediamanga“. Hier wird noch mehr Experimantalküche zelebriert, hier werden beispielsweise eine Art Tacos mit geeister Foie serviert. Es ist jedesmal ein kleines Fest.

Fotos aus 2014

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Kulinarische Begegnungen 50 – La Flauta

10. Dezember 2018

Kommen wir mal wieder zurück nach Barcelona. Zu einem weiteren Restaurant, mit der namensgebenden Spezialität, der Flauta. Das sind etwa drei Zentimeter dünne Baguettes, etwa dreißig Zentimeter lang, längs aufgeschnitten, mit Tomaten eingerieben und mit verschiedenen Belägen dort zu bestellen. Das wäre nun nicht weiter erwähnenswert, hätten diese Brote nicht eine überragende Qualität und die Beläge nicht üppigsten Geschmack.

Der Laden befindet sich im Stadtteil Eixample wo im Gegensatz zum Stadtteil Raval eher die gutbürgerlichen Menschen wohnen, die Wohnungen größer, die Autos PS-stärker und die Restaurants feiner sind. Das macht sich sehr deutlich morgens bemerkbar, wenn der Barcelonese kurz einen Cafe trinkt und was Süßes frühstückt. Ins La Flauta kommen die Anzugsträger und Kostümfrauen, die begehrten Plätze sind auch hier die am Tresen, denn hier hat man die Aussicht auf das komplette Flauta-Angebot. Da gibt es dünne Brote  mit Schinken oder Salami, mit Rührei oder mit Fisch, da gibt es Brote mit Marmelade oder welche mit Grünzeug. Croissants mit oder ohne Puddingfüllung….. Kurzum die Auswahl ist prima. Und wem das nicht reicht, der läßt sich seine eigene Kreation zusammenbasteln. Noch mehr allerdings gefällt mir in diesem Laden das Personal.

Dass das Personal fix ist ist angesichts des ständigen Kundenzustroms selbstverständlich, dass es freundlich ist auch, dass der Barrista italienische Qualität hat ist auch in Barcelona nicht selbstverständlich, der Typ an der Maschine ist mein Kaffeeheld in dieser Stadt. Schon bein zweiten Besuch wird man erkannt, beim dritten per Handschlag begrüßt, beim vierten kommt die Bestellung ohne Worte. Und zwar bei jedem. Das Personal hat ganz offensichtlich entweder ein herausragendes Gedächtnis oder es gibt dort irgendein Erkennungs-Code, ich weiß nicht, wie die das machen.

Am späten Vormittag ändert sich das Angebot und abends dann nochmal. Dann stehen die Menschen draussen Schlange, wartend auf einen Sitzplatz im Restaurant, denn die hier angebotenen Tapas sind von ebensolcher Qualität wie die Flautas. Und wer das Glück hat, einen der wenigen Aussentische zu ergattern, der erlebt vor diesem Restaurant das ganz große Barcelona-Kino der Katalanen. Schon morgens.

Kulinarische Begegnungen 49 – Gina

9. Dezember 2018

Obwohl Gina meine älteste und liebste Freundin ist, begleitet sie mich nur sehr selten auf Reisen. Das hat weniger mit mir zu tun als mit ihrer grundsätzlichen Abneigung gewohnte Umgebung zu verlassen. Egal welches Reiseziel ich ihr anbiete und sie auch dazu einladen würde, ist es schwierig, sie zum Kofferpacken zu bewegen. Früher waren wir häufiger in Italien unterwegs, in Holland haben wir Coffeeshops besucht, in Barcelona konnte ich ihr auch das eine oder andere zeigen, in Paris hat sie mir als Dolmetscherin geholfen. Doch abgesehen von ihrer Reiseunlust kommt eine weitere Schwierigkeit hinzu: Je älter sie wird, desto weniger isst sie. Waren es früher anständige Portionen, die sie anstandslos verdrückte und für die sie bis heute in Italien bekannt ist, so sind es heute Blättchen und kleine Fleischwürfelchen, die sie sättigen. Wein nur in Ausnahmen und maximal zwei Gläser. Also unter kulinarischen Aspekten die schwierigste Frau, die ich kenne.

Dafür spricht sie vier Sprachen mehr oder weniger fließend, ist aber an der Lektüre von Speisekarten so wenig interessiert wie ich an den Ergebnissen von Boxkämpfen. Auch wenn ich hin und wieder mit ihr oder für sie koche, es ist schon beim Einkauf schwierig mit ihr. Nur makelloses Gemüse, Obst nur ohne Dellen, bio sowieso. Und wenn sie mich mal in Düsseldorf besucht um bei irgendwelchen Technik- oder PC-Problemen zu helfen oder um Rechner zur High-end-Performance zu bringen, dann kann ich ihr mit einem Salätchen die allergrößte Freude machen. Wochenmärkte findet sie ganz nett, ein wenig pittoresk und meine Begeisterung für Fisch kann sie ja  nun gar nicht verstehen. Über Austern und ähnliches reden wir gar nicht.

Nur für Parmesan kann sie sich begeistern seit wir in Mailand vor Jahren eine entsprechende Degustation bei Peck erlebten und auch dem spanischen Manchego-Käse ist sie nicht ganz abgeneigt.

Irgendetwas ist schief gelaufen mit dieser Frau, irgendwas habe ich verdammt falsch gemacht mit ihr. Denn Gina ist meine Tochter, auf die ich dennoch ziemlich stolz bin.

 

Kulinarische Begegnungen 48 – Kindheit II.

8. Dezember 2018

Reisesouvenirs gab es in der Familie immer. Egal wer von einer Reise zurückkam, Souvenirs waren im Gepäck. Und zwar immer Lebensmittel, immer irgendeine kulinarische Überraschung. Und diese Tradition hat ihren Ursprung Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts: Mein Vater kehrte von einer Geschäftsreise nach Mailand zurück und erzählte begeistert von einem Ausflug nach Cique Terre. Er schwärmte von den dortigen Steilhängen, von den Schwierigkeiten dort Wein anzubauen und von kulinarischen Dingen, die er dort erlebt hatte.

Dann packte er stolz wie Oskar ein kleines Päckchen aus, fein säuberlich in Pergamentpapier eingewickelt holte er eine weiß grünliche Masse hervor. Oh nein, riefen wir Kinder, das ist ja auf der Reise verschimmelt…..Nix da, das muss so sein, das ist allerfeinster italienischer Käse. Gorgonzola. Und er schnitt vorsichtig ein paar Stückchen dieses Käses ab und alle probierten. Die Mutter und die Schwester verzogen die Gesichter, während mein Bruder, mein Vater und ich in helle Begeisterungsrufe ausbrachen. Diese würzige Schärfe, die Konsistenz, überhaupt, da kannste doch jeden Gouda stehen lassen. Ich war euphorisiert, begeistert, gierig nach mehr.

Es ging aber noch weiter. Er entkorkte die einzige mitgebrachte Flasche weissen Wein aus Cinque Terre. Zu jener Zeit wurden zuhause fast ausschließlich restsüße Weine aus Rheinhessen getrunken, ab und zu auch mal welche von der Mosel, aber alle hatten, so meine Erinnerung, stets die restsüße Klebrigkeit, die mir bis heute nicht so richtig schmecken will. Nun aber italienischer Wein, blass, nahezu geruchlos. Und wir Kinder durften mitprobieren. Welche Enttäuschung, das Zeug war sauer, hatte mit Wein, den wir kannten, überhaupt nichts gemeinsam. Während mein Vater schwelgte, schwieg der Rest der Familie. „Das ist doch ein Fratzenschneider“ wurde später zum geflügelten Begriff für Weine, die nicht schmeckten…….

Ein paar Wochen später eine ähnliche Situation. Der Vater kommt nach Hause und versteckt ein großes Paket im Kühlschrank und verbietet der Familie unter Androhung schärfster Maßnahmen das zu öffnen. „Das gibts heute abend. Von mir zubereitet.“ Und solche Ansage hieß es zu befolgen.

Auf den Tisch kamen dann zwei große Platten geräucherter Fisch. Da gab es Sprotten und Schillerlocken, da gab es Bückling und anderes geräucherte Meeresgetier. Und wieder hatten die Männer der Familie die größeren Begeisterungsausbrüche. Welch ein Genuss, welcher feine Nachgeschmack.

Und diese Begeisterung ist bis heute geblieben, egal ob Fisch oder Fleisch, ob kalt- oder heiß geräuchert.

Kulinarische Begegnungen 47 – Kindheit I.

7. Dezember 2018

Die früheste Kindheit. Ich war dreieinhalb Jahre alt, die Mutter zur Entbindung des Bruders im Krankenhaus, der Vater mit den beiden Kindern alleine zuhause. Er kochte täglich. Bestens in Erinnerung geblieben sind die ersten Nudeln meines Lebens, das waren Maccaroni mit Tomatensoße, geriebenem Holländer Käse, dazu ein Spiegelei mit brauner Kruste. Als ob es gestern gewesen ist kann ich mich an jene Situation erinnern, als es darum ging, diese Nudeln einigermaßen unfallfrei in den Mund zu befördern, es war ein einziges Schlürfen und Lachen. Später dann das gleiche mit Spaghetti und Parmesan, heute immer noch das gleiche mit pochiertem Ei.

Unerreicht und zuhause unbestritten waren auch die Bratkartoffeln meines Vaters. Die wurden stets aus gekochten Kartoffeln vom Vortag goldgelb gebraten, mit Majoran und reichlich Thymjan gewürzt, ein wenig gesalzen und meiste auch mit Spiegeleiern zuhause von ihm serviert. Ihm war das „plating“ schon damals wichtig, die Kartoffeln kamen meist in Scheiben, ordentlich aufgefächert auf die Teller. Und obwohl meine Mutter ebenfalls ganz ausgezeichnet kochte, die Bratkartoffeln des Vaters waren unerreicht und nicht ohne Stolz ließ er sich jedesmal lange bitten, bis er mal wieder die Kochschürze umband.

Und ganz doll ging es dann in meiner Kindheit in der heimischen Küche zu, wenn Eintöpfe angesetzt wurden. Die finale Würze, das letzte Abschmecken, quasi die Freigabe am Pass …..das war ihm vorbehalten. Und natürlich wurde es im Laufe der Jahre zu running Gag hier noch eine Prise Pfeffer oder da noch ein Mü Salz zuzugeben. Und je älter wir wurden, desto konsequenter wurde dieses Finalisieren von der ganzen Familie dann täglich eingefordert. Irgendwann wurde das zum Zeremoniell bis mein kleiner Bruder sich in diese Angelegenheiten einmischte und den Vater derart gut imitierte, dass der sich Schenke lklopfend an die Tisch setzte und abwartete…..Das waren fast Theaterstücke zuhause damals in der Küche. Später auch noch……